REVISION / RECHTSBESCHWERDE / REVISIONSBESCHWERDE / ZUGELASSEN NEIN
Entscheidungsstichwort (Thema)
fristlose Kündigung wegen U-Haft
Leitsatz (amtlich)
Zu den Grundsätzen der Kündigung bei Untersuchungshaft des Arbeitnehmers sowie bei Verdacht strafbarer Handlung mit betrieblicher Auswirkung
Normenkette
BGB § 626; KSchG § 1; BetrVG § 102; StPO §§ 112-113; EMRK Art. 6 II
Verfahrensgang
LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 18.03.1987; Aktenzeichen 2 Ca 443/86) |
Tenor
Das Versäumnisurteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 18. März 1987 wird aufrechterhalten.
Der Kläger trägt auch die durch seinen Einspruch entstandenen weiteren Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Hinsichtlich des Tatbestandes wird zunächst gemäß § 543 ZPO auf das angefochtene Urteil nebst seinen Verweisungen und die im Berufungsrechtszuge gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Am 18. März 1987 ist folgendes Versäumnisurteil der Berufungskammer ergangen:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 01. Oktober 1986 unter Abweisung der Klage im übrigen abgeändert und festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 11. März 1986 nicht fristlos, wohl aber fristgerecht aufgelöst worden ist.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 1/3, der Kläger 2/3.
Gegen dieses Versäumnisurteil hat der Kläger form- und fristgerecht Einspruch eingelegt. Er beantragt,
das Versäumnisurteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 18. März 1987 aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 18. März 1987 aufrechtzuerhalten.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. Sie ist dem Wert des Beschwerdegegenstandes nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Auch der Einspruch des Klägers gegen das erwähnte Versäumnisurteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein ist zulässig. Der Einspruch konnte jedoch keinen Erfolg haben.
Die Berufung der Beklagten mußte insoweit Erfolg haben, als die Kündigung der Beklagten das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fristgerecht – wenn auch nicht fristlos – beendete.
Die Klage ist insoweit unbegründet und damit die Berufung begründet, als sich der Kläger auch gegen eine fristgerechte Beendigung seines Arbeitsverhältnisses wendet.
Die für eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 BGB erheblichen Tatsachen können hier sowohl in dem Verdacht einer durch den Kläger begangenen schweren Straftat als auch in der Anordnung der Untersuchungshaft gesehen werden. Außerhalb des Arbeitsverhältnisses begangene Straftaten rechtfertigen eine außerordentliche Kündigung in der Regel allerdings nur dann, wenn sie sich auf das Arbeitsverhältnis nachteilig auswirken. Das außerdienstliche Verhalten des Arbeitnehmers muß sich direkt oder indirekt auf das Arbeitsverhältnis nachteilig auswirken (vgl. auch Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Band I, 7. Auflage 1963, Seite 586; Stahlhacke, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 4. Auflage 1982, Seite 144 Rdnr. 396). Der Verdacht einer strafbaren Handlung eines Arbeitnehmers ist nur dann geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, wenn sich das Verhalten des Arbeitnehmers konkret auf das Arbeitsverhältnis auswirkt. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses muß durch objektive Umstände, die Einstellung oder das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit, im Vertrauensbereich der Vertragsparteien oder im Unternehmensbereich beeinträchtigt sein (vgl. KR-Hillebrecht, 2. Auflage 1984, § 626 BGB Rdnr. 89; BAG vom 06. Februar 1969, AP Nr. 58 zu § 626 BGB; vgl. auch BAG vom 23. Februar 1961, AP Nr. 9 zu § 626 BGB – Verdacht strafbarer Handlungen).
Wird ein Arbeitnehmer in Untersuchungshaft genommen, dann wird ihm die Arbeitsleistung unmöglich. Allerdings wird noch nicht jede kurzfristige Untersuchungshaft des Arbeitnehmers den Arbeitgeber berechtigen, eine Kündigung mit sofortiger Wirkung auszusprechen, wobei es in der Regel jedoch entscheidungserheblich nicht darauf ankommt, ob die Untersuchungshaft verschuldet worden ist oder nicht (vgl. LAG Bremen vom 19. März 1952, AP Nr. 53 Nr. 2; LAG Bayern vom 23. Mai 1958, DB 1958, 1188; LAG Hannover vom 03. November 1959, BB 1960, 366; so schon RAG vom 14. November 1931, ARS 13, 487; RAG vom 10. August 1932, HRR 1933 Nr. 227). Es ist dabei davon auszugehen, daß nach geltendem Recht die Anordnung von Untersuchungshaft nur erfolgen darf, wenn neben einem Haftgrund in bezug auf den Beschuldigten ein dringender Tatverdacht besteht, § 112 StPO, während bei leichteren Straftaten wegen Verdunklungsgefahr Untersuchungshaft nicht angeordnet werden darf, § 113 StPO. „Ein Kündigungsgrund i. S. von § 626 Abs. 1 BGB wird jedenfalls immer dann vorliegen, wenn begründete Verdachtsmomente die Inhaftierung des Arbeitneh...