Entscheidungsstichwort (Thema)

nachvertragliches Wettbewerbsverbot ohne Karenzentschädigung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ohne (jegliche) Karenzentschädigung ist nichtig. Der ausgeschiedene Angestellte kann daraus keinen Entschädigungsanspruch in Höhe der Mindestentschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB herleiten. Dies gilt auch dann, wenn in einer allgemeinen Präambel zum Arbeitsvertrag auf die gesetzlichen Bestimmungen verwiesen wird, soweit der Vertrag keine günstigeren Vereinbarungen enthält.

 

Normenkette

HGB § 74 Abs. 2; BGB § 134

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 16.01.2003; Aktenzeichen 25 Ca 23812/02)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 16. Januar 2003 – 25 Ca 23812/02 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Karenzentschädigung. Im schriftlichen Arbeitsvertrag haben sie in § 6 ein (dreijähriges) Wettbewerbsverbot für den Kläger vereinbart, eine Entschädigung dafür jedoch nicht vorgesehen. Der Kläger macht geltend, § 3 des Vertrages

– Für das Anstellungsverhältnis sind die gesetzlichen und die allgemeinen betrieblichen Arbeits- und Arbeitsdurchführungsanweisungen in ihrer jeweils gültigen Fassung maßgebend, soweit im Folgenden nicht eine für den Angestellten günstigere Vereinbarung oder Regelung getroffen ist –

sei so auszulegen, dass die Beklagte für die Dauer von zwei Jahren nach Vertragsende (hier: 31. Mai 2002) 50 % des letzten Gehalts schulde, wie dies in § 74 Abs. 2 HGB für die Verbindlichkeit eines Wettbewerbsverbots vorausgesetzt wird.

Durch Urteil vom 16. Januar 2003, auf dessen Tatbestand wegen des weiteren Sach- und Streitstandes in erster Instanz Bezug genommen wird (Bl. 33 ff. d. A.), hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage mit den Anträgen

  1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte für die Zeit vom 01.06.2002 bis zum 31.05.2004 eine Karenzentschädigung gemäß § 74b HGB schuldet.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.144,51 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über den Basiszinssatz von 1.048,17 EUR seit dem 30.06.2002, von weiteren 1.048,17 EUR seit dem 31.07.2002 und von weiteren 1.048,17 EUR seit dem 31.08.2002 zu zahlen,

abgewiesen. § 3 des Arbeitsvertrages ergebe keine eigenständige Verpflichtung der Beklagten, sondern verweise nur allgemein auf gesetzliche Bestimmungen. Eine gesetzliche Verpflichtung der Beklagten bestehe aber gerade nicht; § 74 Abs. 2 HGB ergebe nicht, dass eine Entschädigung in Höhe von 50 % zu zahlen sei, sondern lediglich, dass ein Wettbewerbsverbot nur verbindlich sei, wenn vertraglich eine Entschädigungspflicht in (mindestens) dieser Höhe begründet worden sei. Das Verbot sei nichtig. Auch wenn der Kläger es befolgen wolle, könne er daraus keine Rechte herleiten. Auf die weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird verwiesen (Bl. 35 f. d. A.).

Gegen dieses am 28. Januar 2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 7. Februar 2003 eingegangene und am 5. März 2003 begründete Berufung des Klägers, der das Urteil mit Rechtsausführungen angreift und hinsichtlich des Feststellungsantrages einschränkend klargestellt hat, er solle sich erst auf die Zeit ab 1. September 2002 beziehen, da die Zeit 1. Juni bis 31. August 2002 durch den Zahlungsantrag abgedeckt sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin zu ändern

und wiederholt mit der genannten Einschränkung seine erstinstanzlichen Anträge.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

und macht sich die Urteilsbegründung zu Eigen.

 

Entscheidungsgründe

1.

Die Berufung ist unbegründet.

Der Feststellungsantrag mag nach der Klarstellung des Klägers, dass er sich erst auf die Zeit ab 1. September 2002 beziehen und damit nicht denselben Zeitraum wie der Leistungsantrag abdecken soll, als zulässig angesehen werden. Er ist aber ebenso wie der Leistungsantrag unschlüssig. Dies hat das Arbeitsgericht mit sorgfältiger Begründung, die sich die Kammer zustimmend zu Eigen macht, zu Recht angenommen.

Auch wenn die Regelung in § 3 des Arbeitsvertrages so verstanden werden sollte, dass das Adjektiv „gesetzlichen” sich nicht auf die nachfolgenden Substantive „Arbeits- und Arbeitsdurchführungsanweisungen” beziehen soll, sondern auf das nicht geschriebene Substantiv „Bestimmungen” und dass die Parteien lediglich vergessen haben, dieses Substantiv in den Vertragstext aufzunehmen, ist die Klausel an dieser Stelle des Vertrages viel zu allgemein gehalten, um eine vertragliche Karenzverpflichtung mit bestimmtem Inhalt zu begründen, die sich aus dem Gesetz nicht schon ergibt. Anders als nach § 90 a Abs. 1 Satz 3 HGB für Handelsvertreter ist für kaufmännische Angestellte eine gesetzliche Anspruchsgrundlage nicht vorhanden. Die Vertragsauslegung mag anders ausfallen, wenn die Vertragsparteien im Zusammenhang mit einem Wettbewerbsverbot ausdrücklich auf Bestimmungen Bezug nehmen, in denen eine Karenzentschädigung wenigstens angesprochen wird (wie in dem Sachverhalt, der der Entscheidung d...

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