Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit Auslauffrist nach Widerspruch des Arbeitnehmers gegen den Betriebsübergang im Falle der Ausgliederung eines Teilbereichs der Aufgaben.
Normenkette
BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 19.04.2001; Aktenzeichen 81 Ca 24599/00) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 19. April 2001 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin – 81 Ca 24599/00 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist am …1943 geboren und mit einem Grad von 50 als Schwerbehinderte anerkannt. Die Beklagte stellte die Klägerin mit Wirkung vom 16.04.1974 als Stationshilfe ein. Seit dem 16.04.1989 kann das Arbeitsverhältnis der Klägerin gemäß § 52 Abs. 1 des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren BMT-G II nur aus einem wichtigen Grund gekündigt werden. Mit Schreiben vom 11.08.2000 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit einer sozialen Auslauffrist aus betriebsbedingten Gründen zum 31.03.2001.
Mit ihrer am 01.09.2000 eingegangenen Klage im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin die Feststellung der Nichtauflösung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 11.08.2000 begehrt und die Verurteilung der Beklagten zu ihrer vorläufigen Weiterbeschäftigung verlangt.
Die Beklagte hat zur Begründung der Kündigung vorgetragen: Sie habe den Bereich der Speisenversorgung, in dem die Klägerin tätig gewesen sei, zum 01.01.2000 auf die GHS S. Service GmbH übertragen. Seitdem seien Tätigkeiten für eine Stationshilfe, die wie die Klägerin nach Lgr. 2 Fgr. 1 BMT-G II eingruppiert seien, nicht mehr vorhanden. Die Klägerin hat behauptet: Sie sei bis August 1999 mit allen Arbeiten einer Stationshilfe, zu denen auch einfache Arbeiten an und mit Patienten gehört hätten, und erst danach vornehmlich im Reinigungs- und Küchendienst eingesetzt worden. Auch nach der Ausgliederung der Speisenversorgung seien noch ausreichende Arbeiten für eine Stationshilfe vorhanden. Die Beklagte hat dazu behauptet: Soweit die Klägerin bis 1996, solange es sich noch um ein Krankenhaus für chronisch Kranke gehandelt habe, auch leichte Pflegearbeiten an Patienten durchgeführt habe, sei dies danach verboten. Im übrigen habe die Klägerin nie Pflegehelferinnentätigkeiten verrichtet und sei für Pflegearbeiten auch nicht geeignet.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz und der dort von ihnen gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen, wobei es allerdings auf Seite 5 statt 59,38 richtig heißen muß: 49,38 Vollkräftepositionen.
Das Arbeitsgericht Berlin hat durch das hier angefochtene, am 19.04.2001 verkündete Urteil der Klage hinsichtlich des Feststellungsantrages stattgegeben und sie im übrigen als unzulässig abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.
Das Urteil ist den Prozeßbevollmächtigten der Beklagten am 05.06.2001 zugestellt worden. Berufung und Berufungsbegründung sind am 05.07.2001 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen.
Wegen ihres Vorbringens zur Begründung der Berufung wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 05.07.2001 nebst Anlagen (Bl. 214-280 d. A. = Bl. 281-347 d. A.) und vom 01.08.2001 (Bl. 352 u. 353 d. A. = Bl. 354 u. 355 d. A.) Bezug genommen.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 19.04.2001
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen ihres Vorbringens zur Beantwortung der Berufung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 23.08.2001 (Bl. 356-365 d. A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 u. 2 ArbGG) und sie ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 518 f. ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG).
Das Rechtsmittel der Beklagten hat jedoch in der Sache selbst keinen Erfolg. Das erstinstanzliche Urteil ist nicht abzuändern. Die Feststellungsklage bleibt begründet; denn die Kündigung der Beklagten vom 11.08.2000 ist unwirksam.
Bei einer Arbeitnehmerin wie der Klägerin, deren Arbeitsverhältnis aufgrund tariflicher Vorschriften ordentlich nicht mehr kündbar ist, ist bei der Prüfung, ob ein wichtiger Grund zur fristlosen Entlassung vorliegt, ein besonders strenger Maßstab anzulegen (so schon BAG Urteil vom 03.11.1955 – 2 AZR 39/54 –, AP Nr. 4 zu § 626 BGB). Dringende betriebliche Erfordernisse können regelmäßig nur eine ordentliche Kündigung des Arbeitgebers nach § 1 KSchG rechtfertigen. Eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung kann nur ausnahmsweise zulässig sein; denn zu dem vom Arbeitgeber zu tragenden Unternehmerrisiko zählt auch die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist. Die außerordentliche Kündigung gegenüber einem tariflich unkündbar...