Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 17.01.1990; Aktenzeichen 29 Ca 100/89) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. Januar 1990 – 29 Ca 100/89 – aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreites hat die Klägerin zu tragen mit Ausnahme der durch die Säumnis der Beklagten am 8. November 1989 entstandenen Mehrkosten, die der Beklagten auferlegt werden.
Tatbestand
Die 1947 geborene Klägerin trat am 1. September 1981 als Altenpflegerin in die Dienste der Beklagten, die ein Senioren- und Pflegeheim betreibt und in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt. Im Betrieb der Beklagten besteht ein fünfköpfiger Betriebsrat. Seit dem 1. Februar 1989 wurde die Klägerin im Haus 68 der Beklagten als Stationsschwester eingesetzt und erhielt zuletzt eine monatliche Brutto-Vergütung in Höhe von 3.600,– DM.
Am 27. Juli 1989 erteilte die Beklagte der Klägerin eine schriftliche Ermahnung (Bl. 26 d.A.), in der ihr schlechter Führungsstil und Umgangston als verantwortliche Stationsschwester vorgeworfen wurden. In einer weiteren schriftlichen Abmahnung vom 22. August 1989 heißt es unter anderem:
„…
Leider ist es trotz der Ihnen am 27.7.1989 erteilten Ermahnung wieder zu einem von Ihnen zu verantwortenden Vorfall auf Ihrer Station gekommen, der mich nun zu einer Abmahnung veranlassen mußte.
Am 9.8.1989 wurde von Mitarbeitern Ihrer Station im Berichtsbuch eingetragen, daß ein Patient erhebliche Entzündungen im Genitalbereich hat.
Die Ärztin verordnete daraufhin sofort Sitzbäder mit Kaliumpermanganat. Das Medikament wurde sofort aus der Apotheke geholt und Ihnen ausgehändigt.
Am 16.8.1989 mußte die Ärztin bei der Visite feststellen, daß ihre Anordnungen in keiner Weise ausgeführt worden sind. Das Stationspersonal behauptete, daß 1. keine Sitzbadewanne vorhanden wäre, und 2. die Entzündung durch Einölen zurückgegangen wäre.
Es ist unrichtig, daß es keine Sitzbadewanne gibt, für solche Behandlungen existiert im 2. Stock eine patientengerechte Sitzbadewanne mit Einstiegsmöglichkeit von der Vorderseite.
Die ärztlich angeordneten Behandlungsmaßnahmen wurden nicht durchgeführt, wofür Sie als Stationsschwester Sorge zu tragen haben. Sie dürfen auf keinen Fall eigenmächtig abgeändert werden.
Sollte Ihnen etwas an der Anweisung nicht klar gewesen sein, wäre es Ihre Pflicht gewesen, sich gegebenenfalls bei der Ärztin, der Pflegedienstleitung oder der Heimleitung rückzuversichern. Sie haben dies nicht getan.
Da Sie zum wiederholten Male Ihre Dienstpflichten als Stationsschwester verletzt haben, weise ich Sie hiermit darauf hin, daß Sie, wenn sich ihr Verhalten und ihr Pflichtbewußtsein nicht ändert, an so einer verantwortlichen Position für unser Haus nicht tragbar sind.
…”
Am 20., 21. und 22. September 1989 hatte die Klägerin dienstfrei. Während ihrer Abwesenheit von der Station am 20. September 1989 war der Patient W. gestürzt. Die Pflegehelferin G. hatte den Vorfall in das Berichtsbuch des Hauses 66 eingetragen und vermerkt, daß sie den hochbetagten Patienten im Bad auf dem Boden liegend gefunden habe, ohne daß sichtbare Verletzungen erkennbar seien. Die Erste Hilfe rief die Pflegehelferin nicht. Bereits am 15. September 1989 wurde im Berichtsbuch vermerkt, daß der Patient W. heute sehr zittrig sei, sonst aber keine Beschwerden habe. Am 22. September 1989 lautete die Bucheintragung: „Sehr zittrig und hat an allem was auszusetzen”. Einer Eintragung vom 22. September 1989 zufolge war der Patient W. sehr schwach und konnte sich kaum selbst halten.
Während ihres Dienstes am 23. September 1989 erlangte die Klägerin vom Sturz des Patienten W. Kenntnis. Sie untersuchte ihn, rief jedoch keinen Arzt herbei. Unter Bezugnahme auf die vorangegangenen Eintragungen im Berichtsbuch vermerkte die Klägerin, daß der Zustand des Patienten unverändert sei. Nach Dienstschluß der Klägerin stürzte der Patient W. in der Spätschicht am 23. September 1989 erneut. Die Eintragung dar diensthabenden Pflegekraft lautet: „Auf dem Boden liegend in seinem Zimmer gefunden. RR 150/85. Keine sichtbaren Verletzungen. Er ist sehr schwach (und) kann sich kaum auf den Beinen halten.” Entsprechend einer Eintragung der Nachtwache soll der Patient um 0.30 Uhr angegeben haben, noch einmal auf der Toilette gefallen zu sein, habe aber beim Rundgang im Bett gelegen, ohne daß sichtbare Verletzungen festgestellt worden seien. Während ihres Dienstes am 24. September 1989 tastete die Klägerin erneut den Patienten ab, der nach ihrer Eintragung im Berichtsbuch über Rückenschmerzen geklagt hatte, nicht gehen, nicht sitzen und schon gar nicht aufstehen könne. Sie ordnete die Einreibung des Patienten mit „Mobilat-Salbe” an, ohne einen Arzt zu Rate zu ziehen. Am 25. September 1989 wurde durch die diensthabende Schwester die Erste Hilfe alarmiert, die bei dem Patienten eine Harnweg-Infektion feststellte. Am 27. September 1989 wurde der Patient von einem Urologen untersucht, der ihn ins F.-Krankenhaus...