Entscheidungsstichwort (Thema)
Zielvereinbarung. ergänzende Vertragsauslegung. Initiativlast
Leitsatz (amtlich)
1. Ist eine Zielvereinbarung über einen variablen Vergütungsbestandteil einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer festzulegen, dann führt das Nichtvorliegen einer Zielvereinbarung für das jeweilige Kalenderjahr nicht schon dazu, dass der Anspruch auf die variable Vergütung entfällt (BSG vom 23.03.2006 – ZIP 2006, 1414).
2. Ist der entsprechende Zeitabschnitt abgelaufen, dann ist die Vergütungshöhe nach § 287 ZPO zu schätzen. Hierbei ist regelmäßig von der Vergütung gem. der zuletzt abgeschlossenen Zielvereinbarung auszugehen.
3. Jedenfalls obliegt regelmäßig dem Arbeitgeber die Initiativlast dafür, einen Vorschlag für den Abschluss einer Zielvereinbarung zu unterbreiten.
Normenkette
BGB § 162 Abs. 1, § 315; KSchG § 1; ZPO § 287
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 24.05.2006; Aktenzeichen 76 Ca 617/06) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24.05.2006 – 76 Ca 364/06 und 76 Ca 6717/06 – teilweise abgeändert:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger über den erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag in Höhe von 14.420,05 EUR brutto hinaus weitere 7.829,94 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2006 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.420,00 EUR brutto mit Fälligkeit zum 30.06.2007 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz bei einem Gesamtstreitwert von 57.333,33 EUR tragen der Kläger 26 % und die Beklagte 74 %. Die Kosten der Berufung bei einem Streitwert von 50.928,66 EUR tragen der Kläger zu 27 % und die Beklagte zu 73 %.
IV. Die Revision wird für die Beklagte insoweit zugelassen, wie diese zur Provisionszahlung für das Jahr 2006 in Höhe von 11.420,00 EUR verurteilt wurde. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung und über Ansprüche auf Provisionszahlungen für die Jahre 2005 und 2006.
Die Beklagte entwickelt Softwarelösungen für Kassensysteme im Gastronomiebereich und verkauft diese zusammen mit den entsprechenden Kassen an einzelne Gastronomen.
Der Kläger wurde ursprünglich aufgrund des Arbeitsvertrages vom 19.04.2005 (Kopie Bl. 7 ff. d. A.) ab dem 01.05.2005 als Leiter Market Development gegen ein Bruttomonatsentgelt von 6.250,– EUR beschäftigt. Nach § 9 des Arbeitsvertrages erhielt der Kläger eine Prämie in Höhe von 50.000,– EUR brutto pro Kalenderjahr bei einer hundertprozentigen Erreichung der Ziele. In § 9 Abs. 2 dieses Arbeitsvertrages und des nachfolgenden Änderungsvertrages vom 01.09.2005 heißt es:
„Die Ziele für das erste Kalenderjahr werden gemeinsam mit dem Mitarbeiter bis zum Ende der Probezeit festgelegt.”
Durch Änderungsvertrag vom 01.09.2005 (Kopie Bl. 16 ff. d. A.) wurde die Probezeit beendet, eine Absenkung des Gehalts auf 5.000,– EUR vorgenommen, die monatliche Abschlagszahlung bezüglich der Provision in Höhe von 2.050,– EUR gestrichen und die Fälligkeit der Provisionszahlung vom 31.03. des Folgejahres auf den 30.06. hinausgeschoben. Zuvor hatte der Kläger in den Monaten Mai bis August 2005 jeweils 2.050,– EUR brutto als Vorauszahlung für die Provision erhalten.
Unter dem 26.09.2005 (Kopie Bl. 48 ff. d. A.) wurden die Jahresziele für den Vertrieb schriftlich festgehalten. Unter dem 31.10.2005 (Kopie Bl. 79 f. d. A.) wurden die Ziele neu definiert. Die Vertriebsabteilung bestand neben dem Kläger aus zwei weiteren Arbeitnehmern. Einem dieser Arbeitnehmer, Herrn O. P., wurde während der Probezeit zum 12. Dezember 2005 gekündigt, wobei er seit Mitte November 2005 von der Arbeit freigestellt war. Ein weiterer Arbeitnehmer, Herr M. K., erhielt Mitte Dezember 2005 die Kündigung zum 15. Januar 2006. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31. März 2006.
Bis zum Ende des Jahres 2005 verkaufte die Beklagte seit Unternehmensaufnahme 134 Kassen. Insofern wird auf die Kassenliste Bl. 51 d. A. Bezug genommen. Für das Jahr 2006 schlossen die Parteien eine Zielvereinbarung nicht ab. Der Kläger wurde mit Schreiben vom 8. März 2006 von der Arbeit freigestellt.
Mit der am 5. Januar 2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 12. Januar 2006 zugestellten Klage setzte der Kläger sich u. a. gegen die Kündigung zur Wehr. Aufgrund der Klageerweiterung vom 13. März 2006 beansprucht der Kläger die Zahlung einer Provision für 2005 in Höhe von 25.133,33 EUR und für die ersten drei Monate des Jahres 2006 in Höhe von 12.500,– EUR. Mit Schriftsatz vom 27. März 2006 begehrt die Beklagte widerklagend die Rückzahlung der Provisionsvorauszahlung in Höhe von 8.200,– EUR.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er habe im Jahr 2005...