Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. Umdeutung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Kündigung, die unter Wahrung der für das Arbeitsverhältnis geltenden Kündigungsfrist zu einem Termin einen Monat vor einer beabsichtigten Betriebsänderung erklärt wird, ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt.
2. Eine solche Kündigung kann nicht gemäß § 140 BGB in eine Kündigung zum Termin der Betriebsänderung umgedeutet werden.
Normenkette
BGB § 140; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 24.03.1998; Aktenzeichen 84 Ca 39102/97) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. März 1998 – 84 Ca 39102/97 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin war seit dem 9. Januar 1995 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten als Verkäuferin in einem Filialbetrieb tätig. Ihr Arbeitsverhältnis ging aufgrund Betriebsübergangs mit Wirkung zum 1. Juni 1997 auf die Beklagte über.
Im Hinblick auf die organisatorische Zusammenlegung mit einer nahegelegenen anderen Filiale der Beklagten und deren beabsichtigte Schließung zum 31. Dezember 1997 kündigte die Beklagte der Klägerin nach Anhörung des Betriebsrats mit Schreiben vom 10. September 1997 zum 30. November 1997.
Das Arbeitsgericht Berlin hat festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch diese Kündigung nicht aufgelöst worden sei, und die Beklagte zugleich verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits weiterzubeschäftigen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe nicht nachvollziehbar ausgeführt, inwiefern ihr durch die Schließung der anderen Filiale ein Personalüberhang von 73,4 Vollbeschäftigten entstanden sei. Die Voraussetzungen für eine gesetzliche Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung lägen nicht vor, weil in der mit dem Betriebsrat am 23. August 1997 unterzeichneten Namensliste nicht auf den vorangegangenen Interessenausgleich vom 14. Juli 1997 Bezug genommen und auch in diesem eine noch zu erstellende Liste zu entlassender Arbeitnehmer nicht erwähnt worden sei.
Gegen dieses ihr am 25. Mai 1998 zugestellte Urteil richtet sich die am 24. Juni 1998 eingelegte und am 21. Juli 1998 begründete Berufung der Beklagten. Sie ist der Ansicht, daß eine eindeutige gedankliche Bezugnahme genüge, wenn es keine andere sinnvolle Interpretation gebe, als die, daß das später unterzeichnete Schriftstück den vorigen Vertrag ergänzen solle. Vorliegend hätten die Beteiligten anläßlich der Verhandlung über den Interessenausgleich dessen spätere Ergänzung durch eine Namensliste beschlossen. Im übrigen habe sie die Belegschaftsstärke aufgrund einer betriebswirtschaftlichen Effektivitätsberechnung ermittelt, und sei die Klägerin nicht sozial schutzbedürftiger als vergleichbare Kollegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Änderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil, bestreitet den Wegfall ihres Arbeitsplatzes und hält die getroffene Sozialauswahl sogar für grob fehlerhaft.
Entscheidungsgründe
1. Die Berufung ist unbegründet.
1.1 Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 10. September 1997 nicht aufgelöst worden.
1.1.1 Dies ergab sich bereits daraus, daß diese Kündigung zum 30. November 1997 erklärt worden ist, während die benachbarte Filiale erst zum 31. Dezember 1997 geschlossen werden sollte. Da sonach eine Weiterbeschäftigung der Klägerin im Dezember 1997 noch möglich war, war die schon zum 30. November 1997 ausgesprochene Kündigung nicht durch dringende betriebliche. Erfordernisse i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 3 KSchG bedingt (vgl. BAG, Urteil vom 18. April 1985 – 2 AZR 197/84 – AP § 622 BGB Nr. 20 zu II 1 d d.Gr.). Daß ihr insoweit ein Fehler unterlaufen ist, hat die Beklagte auf Hinweis des Gerichts eingeräumt. Ihre Erklärung, daß dieser Fehler auf die Angabe des Endtermins im Anhörungsschreiben an den Betriebsrat zurückzuführen sei, dort aber auch die richtige Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende angegeben worden sei, änderte nichts. Für die Klägerin war gemäß. § 133 BGB nicht erkennbar, daß die Beklagte ihr erst zum Jahresende hatte kündigen wollen Zudem hat die Beklagte sie über den 30. November 1997 hinaus auch nicht weiterbeschäftigt, mithin auch keinen den falschen Endtermin berichtigende Erklärung abgegeben.
1.1.2 Soweit bei Ausspruch einer Kündigung zu einem vor Ablauf der Kündigungsfrist liegenden Termin die Kündigungserklärung ihre Wirkung zum richtigen Endtermin entfaltet (BAG, Urteil vom 18. April 1985 – 2 AZR 197/84 – AP § 622 BGB Nr. 20 zu II 1 e d.Gr.), konnte sich auch daraus nichts zugunsten der Beklagten ergeben. Eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende wäre bei Zugang der Kündigungserklärung vor dem 20. September 1997 sogar bereits am 31. Oktober 1997 abgelaufen, keinesfalls aber nach dem im Kündigungsschreiben genannt...