Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 27.10.1987; Aktenzeichen 10 Ca 291/87)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27. Oktober 1987 – 10 Ca 291/87 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger hat Abitur; er erlernte im väterlichen Betrieb den Beruf des Flachdruckers (Offsetdruckers) und war weitere drei Jahre dort im nichttechnischen Bereich beschäftigt. Er studierte Architektur und legte an einer privaten englischen Architekturschule ein Examen ab. Durch gesellschaftsrechtliche Beteiligung an verschiedenen Firmen in W. verfügte der Kläger über ein umfangreiches Vermögen.

Zumindest ab 1972 war der Kläger als gewerblicher Arbeitnehmer mit Anlerntätigkeiten in der Berliner Metallindustrie beschäftigt, und zwar bis 1976 bei der Firma A. bis Juni 1978 bei den K. werken R. und bis Juli 1979 bei der Firma S. Bei der Firma R. war er nach verhaltensbedingter außerordentlicher Kündigung aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs gegen eine Abfindung von 34.000,– DM ausgeschieden. In diesem Betrieb war er an innerbetrieblichen Auseinandersetzungen beteiligt gewesen; die erhaltene Abfindung stellte er der „Revolutionären Gewerkschaftsopposition” (RGO) zur Verfügung.

Der Kläger ist Mitglied der IG Metall, aus der er während der Jahre 1978 bis 1981 ausgeschlossen war.

Im November 1979 bewarb sich der Kläger um eine Tätigkeit bei der Beklagten als „Maschinenarbeiter, möglichst Anlerntätigkeit”; er füllte den ihm vorgelegten Personalbogen aus. Die Frage nach dem erlernten Beruf verneinte er. In der Rubrik „Schul- und Berufsausbildung” gab er als Schulabschluß die Mittlere Reife an. Seine weitere dreijährige Tätigkeit im väterlichen Betrieb, sein Studium und sein Architekturexamen gab er nicht an. Wegen des genauen Inhalts des Fragebogens wird auf die Kopie Bl. 44 f.d.A. Bezug genommen.

Daraufhin wurde der Kläger ab 19. November 1979 als Maschinenarbeiter eingestellt. Er schied dann zum 26. Januar 1980 aufgrund eigener Kündigung aus. Bereits mit Schreiben vom 3. Februar 1980 bekundete er sein Interesse an einer Weiterbeschäftigung. Seinen Wunsch, sein altes Arbeitsverhältnis wieder aufleben zu lassen, lehnte die Beklagte ab. Sie stellte jedoch den Kläger zum 3. März 1980 ohne Anrechnung der bisherigen Dienstzeit wieder ein. Ein weiterer Personalfragebogen war ihm nicht vorgelegt worden.

In den Jahren 1981 bis 1984 war der Kläger freigestelltes Betriebsratsmitglied. Im Zusammenhang mit der Betriebsratstätigkeit des Klägers kam es zu Spannungen im Betrieb der Beklagten. Der Kläger bewarb sich auch bei den Betriebsratswahlen Anfang April 1984 um ein Betriebsratsmandat. Er wurde jedoch nicht wieder gewählt. Der Kläger und seine Kollegen K. und K. fochten diese Wahl in drei Instanzen erfolgreich an. Wegen der zur Anfechtung führenden Vorgänge bei der Wahl wird auf die Gründe des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 6. März 1985 – 6 Ta BV 8/84 (18 BV 5/84) – und hier insbesondere auf die Seiten 3 bis 5 verwiesen.

Ab 9. April 1984 arbeitete der Kläger wieder als Maschinenarbeiter. Im Verlauf von Gesprächen über seine weitere Beschäftigung übergab der Kläger Mitarbeitern der Personalabteilung der Beklagten eine Kopie seines Gehilfenbriefes zum Flachdrucker.

In der Zeit ab April 1984 sprach die Beklagte dem Kläger gegenüber mehrere außerordentliche und ordentliche Kündigungen aus, gegen die sich der Kläger vor den Arbeitsgerichten erfolgreich zur Wehr setzte. Der Kläger wurde nur zeitweise beschäftigt. Unter dem 26. April 1984 erstellte die Beklagte ein Zeugnis, in dem es unter anderem heißt:

Herr V. war ein fleißiger, pünktlicher Mitarbeiter, der sich durch geschickte und überlegte Arbeitsweise auszeichnete.

Die ihm übertragenen Arbeiten erledigte er stets zu unserer vollen Zufriedenheit.

Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitern war einwandfrei.

Der Kläger und seine zwei ebenfalls nicht wiedergewählten und gekündigten Kollegen K. und Kn. verteilten Anfang Mai 1984, also nach der ersten Kündigung, ein von ihnen selbst verfaßtes Flugblatt, in dem es unter anderem heißt:

„…

Die Folge der Zustimmung des Betriebsrats ist unsere Entlassung. Diese verursacht:

den sofortigen Verlust des Arbeitsplatzes und damit die Existenzgrundlage für uns und unsere drei Familien.

Acht Wochen Sperrfrist beim Arbeitsamt, keinen Pfennig Geld für diese Zeit

Kosten für Kündigungsschutzklage

Eine gerechte Sache wird Unterstützung finden:

Wie wird das Arbeitsgericht über Wahlanfechtung und Kündigungsschutzklage urteilen? Das ist eine. Offene Frage. Wir sind aber sicher, daß wir nicht alleine stehen, und freuen uns über jede Art der Unterstützung. Denn Angst ist ein schlechter Ratgeber, macht blind und einsam. Wenn wir zusammenhalten, können wir gewinnen. Der Kampf um Recht und Gerechtigkeit kostet Geld. Spenden erbitten wir auf das Postscheckkonto R. Kn. …”

Die Wahlanfechtung und die Kündigungen führten innerhalb des Betr...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge