Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Vordienstzeiten auf die allg. Dienstzeit. Zeiten von MfS-Tätigkeit
Normenkette
AnTV-DR § 12
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 08.12.1995; Aktenzeichen 86 Ca 23872/95) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 08. Dezember 1995 – 86 Ca 23872/95 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung des beklagten Bundeseisenbahnvermögens zur Zahlung einer Abfindung nach der von der Deutschen Reichsbahn mit Wirkung zum 20. Juli 1993 einseitig in Kraft gesetzten „übertariflichen Regelung zur Gewährung einer Abfindung für Eisenbahner, die freiwillig aus dem Arbeitsverhältnis mit der Deutschen Reichsbahn ausscheiden” (vgl. Bl. 11–13 d.A.; im folgenden: übertarifliche Regelung).
Kernpunkt des Streits ist die Berechnung der allgemeinen Dienstzeit der Klägerin nach § 12 des einschlägigen Tarifvertrages für die Angestellten der Deutschen Reichsbahn vom 01.07.1991 in der Fassung des Änderungstarifvertrages 11/91 DR vom 18.05.1992 (im folgenden: An TV-DR). Die Dauer der allgemeinen Dienstzeit nach § 12 Abs. 2 An TV-DR ist sowohl für das Entstehen des Abfindungsanspruchs nach der übertariflichen Regelung an sich (vgl. Ziff. 1 – mindestens fünf Jahre), als auch für die Höhe der Abfindung (vgl. Ziff. 2.1 – in Abhängigkeit von Lebensalter und allgemeiner Dienstzeit; maximal 20.000,– DM) maßgeblich.
§ 12 An TV-DR lautet in den hier maßgebenden Passagen:
„(1)
- Eisenbahndienstzeit (Beschäftigungszeit) ist die in einem Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis bei der Deutschen Reichsbahn zurückgelegte Zeit.
- …
- …
Von der Berücksichtigung als Eisenbahndienstzeit (Beschäftigungszeit) sind ausgeschlossen
- Zeiten jeglicher Tätigkeiten für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit (einschl. der Verpflichtung zu informeller/inoffizieller Mitarbeit),
- Zeiten einer Tätigkeit als Angehöriger der Grenztruppen der DDR (AB 2),
Zeiten einer Tätigkeit bei der Deutschen Reichsbahn, die aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden war.
Die Übertragung der Tätigkeit aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe wird insbesondere vermutet, wenn der Angestellte.
aa) vor oder bei der Übertragung der Tätigkeit eine hauptamtliche oder hervorgehobene ehrenamtliche Funktion in der SED, dem FDGB, der FDJ oder einer vergleichbar systemunterstützenden Partei oder Organisation inne hatte,
bb) als obere oder mittlere Führungskraft in zentralen Staatsorganen, als obere Führungskraft des Rates des Bezirkes, als Vorsitzender des Rates des Kreises oder einer kreisfreien Stadt (Oberbürgermeister) oder in einer vergleichbaren Funktion tätig war oder
cc) hauptamtlich Lehrender an den Bildungseinrichtungen der staatstragenden Parteien oder einer Massen- oder gesellschaftlichen Organisation war oder
dd) Absolvent der Akademie für Staat und Recht oder einer vergleichbaren Bildungseinrichtung ist.
Der Angestellte kann die Vermutung widerlegen.
Von einer Berücksichtigung als Eisenbahndienstzeit (Beschäftigungszeit) ausgeschlossen sind auch solche Zeiten, die vor einer Tätigkeit im Sinne der Buchstaben a) bis c) zurückgelegt worden sind.
(2)
- Die allgemeine Dienstzeit umfaßt die Eisenbahndienstzeit (Beschäftigungszeit (Abs. 1)) und die nach der Nrn. 2 bis 6 anzurechnenden Zeiten, soweit diese nicht schon als Eisenbahndienstzeit (Beschäftigungszeit) berücksichtigt sind.
- …
- …
- …”
Die am 09.03.1938 geborene Klägerin war vom 01.09.1952 bis 31.12.1993 bei der Deutschen Reichsbahn als angestellte Eisenbahnerin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch einen auf Drängen der Deutschen Reichsbahn unter Hinweis auf die übertarifliche Regelung am 31.08.1993 mit Wirkung zum, 31.12.1993 abgeschlossenen Aufhebungsvertrag (Bl. 6 d.A.).
Mit Schreiben vom 09.12.1993 teilte die Deutsche Reichsbahn der Klägerin mit, daß ihr keine Abfindung nach der übertariflichen Regelung gezahlt werden würde, da aus einer zwischenzeitlich erteilten Aktenauskunft des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (im folgenden: BStU) hervorgehe, daß die Klägerin entgegen ihren Erklärungen vom 18.06.1991 und 17.09.1992 am 28.11.1985 eine Verpflichtungserklärung gegenüber dem MfS abgegeben habe und mindestens bis zum 25.11.1987 als IM für das MfS tätig gewesen sei und damit die Voraussetzungen für die Gewährung einer Abfindung nach der übertariflichen Regelung nicht mehr gegeben seien. Mit Schreiben vom 10.01.1994 teilte die Deutsche Reichsbahn der Klägerin unter Hinweis auf § 12 Abs. 1 Ziff. 4 a An TV-DR ergänzend mit, daß als Beginn der anrechnungsfähigen Dienstzeit erst der 01.04.1990 angesetzt werden könne, da bis zur Auflösung des MfS die Verpflichtung der Klägerin nicht aufgehoben worden sei.
Mit der vorliegenden Klage nimmt die Klägerin das beklagte Bundeseisenbahnvermögen auf Zahlung einer Abfindung in ...