rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausnahme von der Sozialauswahl. Anhörung des Betriebsrates

 

Leitsatz (amtlich)

1. Da der Arbeitgeber dem Betriebsrat nach § 102 Abs. 1 BetrVG die Gründe für die von ihm vorgenommene Sozialauswahl mitteilen muß, hat er den Betriebsrat auch über die Gründe zu informieren, die nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG der Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten entgegenstehen.

2. Hat der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht entsprechend informiert, dann kann er sich zur Begründung der betriebsbedingten Kündigung nicht auf die Ausnahme des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG berufen.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 3; BetrVG § 102 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 21.03.1996; Aktenzeichen 92 Ca 38389/95)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. März 1996 – 92 Ca 38389/95 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten am 29.11.1995 zum 30.06.1996 ausgesprochenen Änderungskündigung, durch die die Arbeitszeit der Klägerin von 40 auf 30 Stunden pro Woche herabgesetzt worden ist. Zur Begründung der gegenüber der Mehrzahl der im Schalterdienst beschäftigten Angestellten ausgesprochenen Änderungskündigung hat sich die Beklagte darauf berufen, Messungen über Art und Häufigkeit der an den Schaltern auftretenden Geschäftsvorgänge hätten einen erheblichen Rückgang im Bereich der Niederlassung M. ergeben, der eine Reduzierung der Anzahl der geöffneten Schalter ermögliche, wodurch wiederum der Personalbedarf erheblich gesunken sei.

Von einer näheren Darstellung des Tatbestandes erster Instanz wird unter Hinweis auf § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Durch ein Urteil vom 21.03.1996 hat das Arbeitsgericht Berlin der von der Klägerin erhobenen Kündigungsschutzklage stattgegeben. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses der Beklagten am 26.04.1996 zugestellte Urteil hat sie mit einem am 24.05.1996 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 08.07.1996 mit einem am 08.07.1996 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte tritt dem angefochtenen Urteil zunächst mit Rechtsausführungen entgegen und wiederholt ihre Auffassung, die Klägerin habe sich in ihrer schriftlichen Erklärung vom 20.03.1995 mit der Herabsetzung der Arbeitszeit einverstanden erklärt.

Weiterhin vertritt die Beklage die Auffassung, sie habe bei der Auswahl der von den Änderungskündigungen betroffenen Arbeitnehmer soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt. Die nicht gekündigten Arbeitnehmerinnen S., K. und Z. sowie der Arbeitnehmer K. seien mit der Klägerin nicht vergleichbar; denn sie hätten im Gegensatz zu dieser neben ihrer Tätigkeit im Schalterdienst auch betriebsleitende Funktionen und ihr Dienstposten sei – unter Berücksichtigung der Beamtenbesoldung – mit A 8 bzw. A 9 (Frau K.) bewertet, während der Dienstposten der Klägerin lediglich mit A 7 bewertet sei. Im übrigen verweist die Beklagte bezüglich sämtlicher im Schalterdienst tätigen Angestellten der Niederlassung M. auf die mit „Sozialplan DSt 136” überschriebenen Liste mit den persönlichen und sozialen Daten.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, an ihrer Stelle hätten sowohl die Arbeitnehmer (innen) K., S. K. und Z. als auch die Arbeitnehmerinnen K. und L. die letztlich erst im Juli 1996 eine Änderungskündigung erhalten hätten, gekündigt werden müssen.

Bezüglich der Arbeitnehmerinnen K. und L. verweist die Beklagte auf den unstreitigen Umstand, daß Frau K. einer Schwerbehinderten gleichgestellt und Frau L. schwerbehindert sei. In diesem Zusammenhang verweist die Beklagte auf folgende von der Klägerin ebenfalls nicht bestrittene Umstände: Obwohl die Hauptfürsorgestelle den beabsichtigten Änderungskündigungen der Arbeitnehmerinnen K. und L. im Januar 1996 zugestimmt hatte, ist eine Kündigung im Hinblick auf den von beiden Arbeitnehmerinnen dagegen eingelegten Widerspruch zunächst nicht ausgesprochen worden. Nachdem der Widerspruch am 03.06.1996 zurückgewiesen worden ist, hat die Beklagte im Hinblick auf den inzwischen eingetretenen Zeitablauf eine erneute Zustimmung der Hauptfürsorgestelle beantragt und erhalten, so daß die Arbeitnehmerin K. letztlich am 04.07.1996 und die Arbeitnehmerin L. am 10.07.1996 gekündigt worden sind.

Wegen der weiteren Einzelheiten des gegenseitigen Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze der Beklagten vom 08.07.1996 und der Klägerin vom 08.08.1996 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung, die frist- und formgerecht im Sinne von § 66 Abs. 1 Satz 1, 4 ArbGG eingelegt ...

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