Leitsatz (amtlich)

Auch das Recht gegenüber dem „fortsetzungsunwilligen” Betriebsübernehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen kann nach den allgemeinen Grundsätzen verwirken.

 

Normenkette

BGB § 613a

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 07.09.1999; Aktenzeichen 42 Ca 24859/98)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten zu 2) wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 7. September 1999 – 42 Ca 24859/98 – teilweise dahingehend abgeändert, dass die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage abgewiesen wird.

II. Anstelle der Beklagten zu 2) hat der Kläger ¼ der Kosten des Rechtsstreits erster Instanz sowie die Kosten der Berufung zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien des Berufungsverfahrens streiten darüber, ob die Beklagte zu 2) ab dem 14. Juli 1998 in das Arbeitsverhältnis des Klägers als Betriebserwerberin eingetreten ist.

Der am 15. Oktober 1939 geborene Kläger war seit dem 12. Oktober 1987 bei der Firma … Berlin und Brandenburg GmbH bzw. deren Rechtsvorgängerin als … bei einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt 4.900,00 DM beschäftigt. Die Firma … Berlin und Brandenburg GmbH war im Jahre 1990 gegründet worden und nahm im Oktober 1997 unter Umfirmierung und Verlegung ihres Sitzes von Berlin nach … die Geschäftstätigkeit auf. Über ihr Vermögen wurde am 13. Juli 1998 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet. Die Gesamtvollstreckungsverwalterin, die Beklagte zu 1), stellte am Tage der Eröffnung alle Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht frei und gab das vermietete Anlagevermögen unter Kündigung aller Mietverhältnisse an die jeweiligen Vermieter, insbesondere an die … Vermietung zurück.

Ab dem 14. Juli 1998 führte die Beklagte zu 2) den bisherigen Geschäftsbetrieb der Firma … in den Betriebsstätten in der … und in … in den selben Geschäftsräumen, mit den selben Fahrzeugen und … und mit der gesamten EDV-Anlage fort. Mit Schreiben von Juli 1998 zeigte sie zudem den Kunden die Fortsetzung des operativen Geschäfts der Gemeinschuldnerin an. Die Beklagte zu 2) schloss zugleich mit insgesamt ca. 140 der ursprünglich bei der Gemeinschuldnerin beschäftigten ca. 220 Arbeitnehmer neue Arbeitsverträge ab, nachdem diese Aufhebungsverträge mit der Beklagten zu 1) geschlossen hatten. Der Kläger, der in der … in Berlin … beschäftigt war und das Amt des Vorsitzenden des Betriebsrates inne hatte, erhielt von der Beklagten zu 2) kein Angebot zum Abschluss eines Arbeitsverhältnisses zu veränderten Bedingungen.

Nach Anhörung des Betriebsrates und dessen Widerspruch kündigte die Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 30. Juli 1998, dem Kläger zugegangenen am 31. Juli 1998, zum 30. November 1998.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 14. August 1998 eingegangenen Kündigungsschutzklage, die er zunächst mit einem Antrag auf Nachteilsausgleich verbunden hatte. Der Kläger erhob ferner in einem anderen Rechtsstreit Klage gegen die … auf Zahlung eines Abfindungsbetrages aus dem dort bestehenden Sozialplan mit der Begründung, er sei von der Beklagten zu 1) wegen Betriebsstillegung gekündigt worden.

Mit am 03. März 1999 der Beklagten zugestelltem Schriftsatz vom 24. Februar 1999 hat der Kläger seine Klage um einen Antrag auf Feststellung des Bestehens des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2) ab dem 14. Juli 1998 erweitert und mit Schriftsatz vom 26. August 1999 einen neuen Klageantrag gegen die Beklagte zu 1) angekündigt.

Der Kläger, der bereits in der Klageschrift unter Berufung auf die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs die Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 613a Abs. 4 BGB gerügt hatte, hat gemeint, bereits am 14. Juli 1998 sei sein Arbeitsverhältnis trotz des Gesamtvollstreckungsverfahrens wegen Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 2) übergegangen, da der Beschäftigungsbetrieb nicht im Beitrittsgebiet gelegen sei. Er hat die Auffassung vertreten, er habe zunächst darauf vertrauen können, dass die Beklagte zu 1) noch Arbeitgeberin gewesen sei, als sie gekündigt habe. Erst als im Laufe des Verfahrens deutlicher geworden sei, dass der Betrieb an eine andere Gesellschaft des Herrn … übertragen und nicht stillgelegt worden sei und wie und wann dies geschehen sei, hätten ausreichende Erfolgsaussichten für eine Klage gegen die Beklagte zu 2) bestanden. Die zeitliche Verzögerung der Inanspruchnahme der Beklagten zu 2) sei der von der Beklagten zu 1) und Herrn … gemeinsam betriebenen Verschleierung des Sachverhalts geschuldet. Insbesondere sei der Betrieb von der Beklagten zu 1) nicht ausreichend informiert worden, was näher ausgeführt wird. Die Beklagte zu 1) habe Frau … und Herrn … von der Beklagten zu 2) ständig über den Inhalt der laufenden Klageverfahren informiert. Bei rechtmäßigem Vorgehen hätten beide Beklagten die Betroffenen über den Betriebsübergang unterrichten müssen. Da dies nicht geschehen sei und sich die Beklagten rechtswidrig verhalten hätten, sei ein Vertrauenstatbestand nicht entstanden. Verwirkung sei deshalb nicht eingetret...

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