Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung. Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes und anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit. Zeitpunkt der Überprüfung der Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Überprüfung einer betriebsbedingten Kündigung, die auf den Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes gestützt wird, ist für die Frage, ob ein anderer geeigneter Arbeitsplatz frei ist oder bis zum Ablauf der Kündigungsfrist wird, nicht ausnahmslos der Zeitpunkt der Kündigung maßgebend. Die Kündigung ist vielmehr auch dann sozialwidrig, wenn in dem Zeitpunkt, in dem der Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes absehbar und damit die Kündigung als Möglichkeit erkennbar war, ein anderer Arbeitsplatz frei war, der vom Arbeitgeber bis zum Zugang der Kündigung – durch eine Neueinstellung – neu besetzt worden ist (Abweichung von BAG, Entscheidung vom 6.6.1984, 7 AZR 451/82 = AP Nr. 16 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 11.03.1988; Aktenzeichen 47 Ca 49/88)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 11. März 1988 – 47 Ca 210/87 und 47 Ca 49/88 – teilweise geändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefaßt:

  1. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis weder durch Fristablauf noch durch die Kündigung der Beklagten vom 26. November 1987 aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht.
  2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung des Klägers sowie die Anschlußberufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen für die erste Instanz der Kläger zu 2/5 und die Beklagte zu 3/5, für die Berufungsinstanz der Kläger zu 4/7 und die Beklagte zu 3/7.

IV. Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz neu festgesetzt auf 42.700,– DM.

V. Die Revision wird für die Beklagte insoweit zugelassen, als die Unwirksamkeit der Kündigung vom 26. November 1987 und der im Hinblick darauf streitige Fortbestand des Arbeitsverhältnisses festgestellt worden ist; im übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz nur noch darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers durch Fristablauf mit Wirkung zum 31. Dezember 1987 oder durch eine von der Beklagten vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung (insoweit geht der Streit auch um die Dauer der Kündigungsfrist) beendet worden ist, sowie um vom Kläger geltend gemachte Ansprüche auf Überstundenentgelt. Diesem Streit liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger war seit 1976 bei der Düsseldorfer Baufirma … die Projekte im In- und Ausland betrieb, beschäftigt und für diese in Saudi Arabien im Rahmen eines Projektes zur Erstellung von Lagerhallen tätig. Im Rahmen dieses von der Firma … als Hauptauftragnehmer betriebenen Projektes betätigte sich die Beklagte als Subunternehmer für Teilbereiche der Technik (zum Beispiel Elektro- und Sanitäranlagen).

Als über das Vermögen der Firma … am 10. Juli 1981 der Konkurs eröffnet wurde, übernahm die Beklagte das zur Hälfte fertiggestellte Projekt insgesamt, um ihre bisherigen Investitionen nicht zu verlieren. Im Hinblick auf die Übernahme des Projektes beschäftigte die Beklagte den Kläger sowie andere auf dem Projekt tätige Arbeitnehmer der Firma … weiter und zahlte ihnen gegen die Abtretung ihrer Ansprüche auf Konkursausfallgeld die rückständigen Arbeitslöhne aus dem Arbeitsverhältnis mit der Firma aus. Aus Anlaß der Übernahme des Projektes und der weiteren Beschäftigung des Klägers schlossen die Parteien unter dem 1. Juli 1981 und dem 23. August 1981 zwei Verträge, auf deren Inhalt im einzelnen Bezug genommen wird (vgl. Bl. 168 bis 172 d.A.).

Als die Beklagte seinerzeit beim Arbeitsamt Düsseldorf aus übergegangenem Recht die Ansprüche der ehemaligen Arbeitnehmer der Firma … auf Konkursausfallgeld geltend machte, prüfte das Arbeitsamt Düsseldorf die Frage eines Betriebsüberganges, verneinte sie und zahlte das Konkursausfallgeld an die Beklagte aus. Nach der Fertigstellung des Projektes „Lagerhallen” setzte die Beklagte, die die Planung und Errichtung von kompletten Industrieanlagen betreibt, den Kläger auf einem anderen Projekt in Saudi-Arabien ein. Dabei handelte es sich um die Errichtung und Betreibung einer Weizenfarm in Al Munaysef. Über dieses Projekt hatte die Beklagte mit ihrem saudi-arabischen Auftraggeber einen Vertrag mit einer Laufzeit bis Ende 1989 abgeschlossen. In der Aufbauphase des Projektes schloss die Beklagte mit den von ihr für das Projekt eingesetzten Arbeitnehmern auf eineinhalb bis zwei Jahre befristete Verträge, was sie damit begründet, daß zu Beginn der Betreibungsphase des Projektes noch nicht erkennbar gewesen sei, welche Personalausstattung für einen derartigen Farmbetrieb benötigt werde.

So schloss die Beklagte auch mit dem Kläger am 1. Juni 1983 einen Dienstvertrag über seinen Einsatz als Werkstattleiter auf der Weizenfarm und gleichzeitig einen für die Zeit bis zum 31. Dezember 1984 befristeten Entsen...

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