Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung vor Ausspruch einer Kündigung nach PersVG Brdbg. Letztentscheidungsrecht der Einigungsstelle
Leitsatz (redaktionell)
1. Bestimmen landesvertretungsrechtliche Vorschriften – wie im PersVG BB – bei einer mitbestimmungspflichtigen Maßnahme deren Zustimmungsbedürftigkeit und beschränken sie sich darauf, die Maßnahme als gebilligt anzusehen, wenn der Personalrat nicht innerhalb einer näher bestimmten Frist unter Angabe von Gründen schriftlich die Zustimmung versagt, sind keine weiteren Anforderungen an diese Zustimmungsverweigerung zu stellen. Der Personalrat kann in solchen Fällen seine Zustimmung zu einer beabsichtigten Maßnahme grundsätzlich aus jedem Grund verweigern.
2. Verweigert der Personalrat die Zustimmung zu einer beabsichtigten Kündigung, weil er meint, es bestehe nachwirkender Kündigungsschutz gemäß § 18 BGleiG i.V.m. § 15 KSchG, obwohl die Gekündigte kommunale Gleichstellungsbeauftragte war, ist dies keine rechtsmissbräuchliche Zustimmungsverweigerung. Diese Rechtsauffassung des Personalrats ist jedenfalls nicht „offensichtlich” fehlerhaft.
3. Das im PersVG Brdbg vorgesehene Beteiligungsverfahren vor Ausspruch einer ordentlichen Kündigung wird nicht entbehrlich, wenn man von Verfassungs wegen das Letztentscheidungsrecht der Einigungsstelle in Frage stellt.
Normenkette
PersVG Brdbg §§ 61, 63
Verfahrensgang
ArbG Brandenburg (Urteil vom 07.04.2005; Aktenzeichen 1 Ca 22/05) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom7. April 2005 – 1 Ca 22/05 – abgeändert:
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 22.12.2004 – zugegangen am 27.12.2004 – zum 30.06.2005 nicht aufgelöst worden ist.
- Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin als Verwaltungsangestellte der Vergütungsgruppe VII BAT-O mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 32 Wochenstunden bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung aus betrieblichen Gründen.
Die am 20. März 1960 geborene, verheiratete Klägerin ist bei der beklagten Stadt – einer kreisangehörigen Kommune – seit dem 1. Januar 1993 als Sachbearbeiterin im Bereich Sozialhilfe mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 32 Wochenstunden zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 1.727,– EUR beschäftigt. Kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung finden die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags-Ost (BAT-O) auf das Arbeitsverhältnis Anwendung; die Klägerin ist in der Vergütungsgruppe VII BAT-O eingruppiert. Sie hat 2 Kinder; eine Unterhaltsverpflichtung besteht seit dem 1. April 2005 nur gegenüber ihrem Sohn, weil dieser zu diesem Zeitpunkt ein Studium aufgenommen hat. Bis zum 5. Juli 2004 war die Klägerin zur kommunalen Gleichstellungsbeauftragten bestellt. Bei der Beklagten sind regelmäßig mehr als 5 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt. Es besteht ein Personalrat.
Ab dem 1. Januar 2005 führt die beklagte Stadt die Aufgaben zur Durchführung des Bundessozialhilfegesetzes nicht mehr durch. Hintergrund ist, dass ab diesem Zeitpunkt die gesetzlichen Neuregelungen des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II) und des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) in Kraft getreten sind. Im Zuge der sog. Hartz-Reformen wurden die bisherige Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe für erwerbsfähige Hilfebedürftige und deren Familienangehörige im SGB II zusammengefasst sowie das Sozialhilferecht grundlegend reformiert und in das SGB XII eingegliedert. Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende sind gem. § 6 SGB II die Bundesagentur für Arbeit sowie die kreisfreien Städte und Kreise. Die Sozialhilfe wird nunmehr gem. § 3 SGB XII von örtlichen und überörtlichen Trägern geleistet. Örtliche Träger sind die kreisfreien Städte und die Kreise, soweit nach Landesrecht nicht etwas anderes bestimmt ist.
Der Landkreis lehnte es trotz Bemühungen des Bürgermeisters der Beklagten ab, die Klägerin weiterzubeschäftigen. Die Beklagte traf daher die Entscheidung, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin aus betrieblichen Gründen zu kündigen. Dem vorangegangen war ein Vergleich der insgesamt 9 bei der Beklagten beschäftigten Angestellten, welche in der Vergütungsgruppe VII BAT-O eingruppiert sind. Die Beklagte bezog in ihre Sozialauswahlentscheidung 2 Angestellte wegen ihrer Mitgliedschaft im Personalrat, eine Mitarbeiterin in Elternzeit und eine Mitarbeiterin in Mutterschaft nicht ein. Von den fünf verbleibenden Angestellten ermittelte sie die Klägerin als diejenige mit den sozial am wenigsten schutzbedürftigen Daten. Im Einzelnen legte die Beklagte folgende Sozialkriterien zu Grunde: