Verfahrensgang

ArbG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 12.04.2000; Aktenzeichen 3 Ca 4726/99)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.06.2002; Aktenzeichen 2 AZR 234/01)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des ArbG Frankfurt (Oder) vom 12.04.2000 – 3 Ca 4726/99 – abgeändert:

  1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 15.12.1999 aufgelöst worden ist.
  2. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.
  3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten erklärten fristgemäßen Kündigung vom 15.12.1999 und eines von ihr hilfsweise gestellten Auflösungsantrags.

Die Beklagte gibt die … heraus. Die … ist die Rechtsnachfolgerin der von der SED-Bezirksleitung Frankfurt (Oder) herausgegebenen Zeitung „…”. Als ihre publizistischen Grundsätze hat die … definiert:

„Die … ist eine Zeitung für alle Bürger ihres Verbreitungsgebietes. Sie tritt für die Interessen der Region und als eines der führenden Publikationsorgane Brandenburgs für die besonderen Belange dieses Landes ein.

Die … ist unabhängig, überparteilich und überkonfessionell.

Die … tritt für die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verfasste freiheitliche, demokratische Grundordnung ein. Sie lehnt radikale. Entwicklungen ab, die diese Grundordnung gefährden.

Die … befürwortet die soziale Marktwirtschaft.

Die … setzt sich für die Verbesserung des Verständnisses zwischen den Bürgern in den alten und den neuen Bundesländern ein. Als die führende Zeitung im deutsch-polnischen Grenzgebiet gibt sie bei ihrer publizistischen Arbeit der Förderung des Verständnisses für das Nachbarland Polen besonderes Gewicht.”

Die Klägerin ist seit dem 01.07.1973 bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt, bzw. deren Rechtsvorgängerin als Redakteurin beschäftigt. Seit dem 01.07.1978 arbeitet sie in der Lokalredaktion S., deren verantwortliche Redakteurin sie vom 01.02.1985 bis zum 30.06.1992 war. Seit dem 01.07.1992 ist sie als Redakteurin in der Lokalredaktion S., deren Leiter Herr … ist, zuständig für den Bereich des Amtes R. auf den Inhalt des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 27.03.1993, Bl. 7 d. A., wird Bezug genommen.

Mitte 1996 forderte die Chefredaktion der … alle Redakteure und Redakteurinnen auf, mitzuteilen, ob und in welcher Form sie mit dem ehemaligen MfS zusammengearbeitet haben bzw. Kontakte zu ihm hatten. Alle Redakteure und Redakteurinnen der Lokalredaktion S. offenbarten sich daraufhin dem damaligen Leiter der Lokalredaktion S. …, Herrn …, in vertraulichen Gesprächen mit Ausnahme der Klägerin. Im Zuge von Recherchen wurde der Chefredaktion der … … bekannt, dass die Klägerin Kontakte zum ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gehabt haben soll. Das MfS unterhielt von Mitte 1981 bis November 1989 in den Räumen der Lokalredaktion S. des „…” eine konspirative Wohnung.

Am 05.11.1999 fand ein vertrauliches Gespräch zwischen dem Chefredakteur der …, dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten, Herrn Dr. W. und der Klägerin statt. Der Chefredakteur stellte gegenüber der Klägerin klar, dass er – und nicht die Klägerin – ihren Vorgesetzten … mitteilen werde, dass sie sich bis zum 09.11.1999 im Urlaub befinde; der weitere Inhalt und Ablauf des Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig. Nach diesem Gespräch rief die Klägerin den Mitarbeiter … an. Der Inhalt des Gesprächs zwischen ihr und dem Mitarbeiter … ist zwischen den Parteien streitig.

Am 09.11.1999 fand ein weiteres Gespräch zwischen allen Mitgliedern der Chefredaktion, dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten, Herrn Dr. W. zwei Betriebsratsmitgliedern und der Klägerin statt. Die Beklagte suspendierte die Klägerin in diesem Gespräch wegen schwerwiegenden Vertrauensbruchs von ihren Arbeitsleistungen; auf den Inhalt des Schreibens vom 09.11.1999, Bl. 44 d. A., wird Bezug genommen.

Nach Information des Betriebsrates mit Schreiben vom 22.11.1999, auf dessen Inhalt, Bl. 53 d. A., Bezug genommen wird, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 15.12.1999 das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 30.09.2000 mit folgender Begründung:

„… wie sie wissen, forderte die Chefredaktion alle Redakteure, zuletzt Mitte 1996, auf, ihr eventuelle frühere Kontakte zur Staatssicherheit mitzuteilen. Es wurde darauf hingewiesen, dass es als Misstrauensbeweis angesehen würde, wenn Verwicklungen oder Kontakte zum MfS nicht vom Redakteur, sondern von anderer Seite bekannt würden.

Sie haben – im Gegensatz zu allen anderen Redakteuren in der Lokalredaktion S. – die Chefredaktion nicht über ihre früheren Kontakte zum MfS informiert. Sie taten dies auch nicht später, als der über noch unaufgedeckte, konspirative Vorgänge in der Lokalredaktion S. berichtet hatte (und im Weiteren Hinweise aus der Bürgerbewegung eingingen). Im Gegenteil, Sie haben auch der neuen Chefredaktion gegenüber geäußert, dass sie nur gewusst hab...

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