Entscheidungsstichwort (Thema)

Entfristung des Arbeitsverhältnisses eines wissenschaftlichen Mitarbeiters bei Kinderbetreuung in der Post-Doc-Phase

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Falle der Verlängerungsmöglichkeit aufgrund der Betreuung von Kindern unter 18 Jahren gemäß § 2 Abs. 1 S. 3 a.F. WissZeitVG sind die Zeit-räume der ersten Qualifizierungsphase und der sog. Post-Doc-Phase nicht als getrennte Befristungszeiträume, sondern einheitlich zu betrachten.

2. Der Begriff "insgesamt" in § 2 Abs. 1 S 3 a.F. WissZeitVG spricht für die Zusammenrechnung der Höchstbefristungszeiten nach den Sätzen 1 und 2 des § 2 Abs. 1 a.F. WissZeitVG im Falle der Inanspruchnahme von Kinderbetreuungszeiten.

 

Normenkette

WissZeitVG § 2 Abs. 1 Sätze 1-3

 

Verfahrensgang

ArbG Bremen-Bremerhaven (Entscheidung vom 12.01.2017; Aktenzeichen 9 Ca 9119/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.08.2019; Aktenzeichen 7 AZR 21/18)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 12.01.2017 - 9 Ca 9119/16 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Entfristung eines befristeten Arbeitsverhältnisses.

Der am 07.09.1971 geborene Kläger, der Dipl.-Ingenieur ist und als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt war, weist folgende Beschäftigungszeiten auf:

- vom 01.05.1999 bis 31.12.1999 U.

- vom 01.01.2000 bis 31.03.2007 B. sowie beim Br.

- vom 04.04.2007 bis zum 31.03.2016 U..

Der Kläger erzielte zuletzt eine durchschnittliche Bruttomonatsvergütung i.H.v. € 5.921,00.

Die Promotion des Klägers erfolgte am 06.09.2006.

Bei den Hochschulen bzw. Forschungseinrichtungen, bei denen der Kläger als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war, handelt es sich um solche im Sinne des Hochschulrahmengesetzes bzw. des WissZeitVG.

In der Post-Doc-Phase betreute der Kläger zwei eigene Kinder, sodass die Parteien auf eine vierjährige Verlängerungsmöglichkeit zurückgreifen konnten.

Insgesamt war der Kläger mit 37 befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt (Anlage 1, Bl. 4 d.A.). Der letzte Arbeitsvertrag vom 17.09.2015 sah eine Befristung zum 31.03.2016 vor.

Mit seiner am 20.04.2016 beim Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Befristung des letzten befristeten Arbeitsvertrag vom 17.09.2015 gewehrt und gemeint, diese sei unwirksam. Er hat vorgetragen, dass er bis zur Promotion sieben Jahre und fünf Monate beschäftigt gewesen sei. Es könne dahinstehen, ob die Post-Doc-Phase ab dem Zeitpunkt der Promotion oder erst ab dem Beginn des nächstfolgenden Arbeitsvertrages - 01.01.2007 - zähle. Je nach Zählweise sei er 16 Jahre und 11 Monate bzw. 16 Jahre und 8 Monate insgesamt beschäftigt gewesen. Damit sei die insgesamt zulässige Befristungsdauer des § 2 Abs. 1 S. 3 a.F. WissZeitVG mit dem letzten Arbeitsvertrag überschritten worden. Denn die insgesamt zulässige Befristungsdauer betrage 16 Jahre, nämlich 12 Jahre für die 1. und 2. Qualifikationsphase von jeweils 6 Jahren sowie 2 x 2 Jahre wegen der Betreuung seiner beiden Kinder. Der Höchstbefristungszeitraum sei bereits mit dem 30.04.2015 ausgelaufen, so dass sowohl der vorletzte als auch der letzte Arbeitsvertrag unzulässig befristet gewesen seien. Die zulässige Befristungsdauer von 6 Jahren der Post-Doc-Phase sei zwar gewahrt, grundsätzlich sei für die Frage der insgesamt zulässigen Befristungsdauer die Qualifikationsphase vor der Promotion mit zu berücksichtigen. Grundsätzlich sei zwar aufgrund der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon auszugehen, dass jede Qualifikationsphase gesondert zu betrachten sei. Dies gelte jedoch nicht für die Verlängerungsmöglichkeit wegen der Kinderbetreuung. Die sogenannte familienfreundliche Komponente bewirke, dass sich nicht der jeweilige Befristungsrahmen vor und nach der Promotion verlängere, sondern der in der Summe verfügbare Befristungsrahmen. Der Kläger hat des Weiteren die Auffassung vertreten, dass die Dauer der mit ihm abgeschlossenen Verträge rechtlich problematisch sei. Insbesondere der letzte Arbeitsvertrag habe nur einen Befristungszeitraum von 6 Monaten umfasst. Für die jeweiligen Verträge sei jedoch ein Zeitraum erforderlich, in dem das Qualifizierungsvorhaben nachhaltig gefördert werden könne. Bei der konkreten Vertragsgestaltung könne allerdings von einem sachgerechten Beschäftigungszeitraum nicht mehr gesprochen werden. Dies gelte nicht nur für die insgesamt 37 Verträge, sondern auch für den letzten der Befristungskontrolle unterliegenden Arbeitsvertrag vom 17.09.2015. Auch wenn das Gesetz Verlängerungen innerhalb der jeweils zulässigen Befristungsdauer zulasse, müssten diese Verträge für sich gesehen im Sinne einer Wissenschaftsförderung sachgerecht sein. Dazu hat der Kläger weitere Ausführungen gemacht.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien durch Vertrag vom 17.09.2015 begründete Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung mit dem 31.03.2016 beendet ist.

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