Leitsatz (amtlich)
1. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, vor Ausspruch einer Änderungskündigung, die zur Lohnminderung führen würde als milderes Mittel dem Arbeitnehmer freie „Ausbildungsplätze” anzubieten, auf denen die Arbeitnehmer unter Beibehaltung der bisherigen Lohngruppe zwei Jahre lang Tätigkeiten ausüben, für die sie unstreitig geeignet sind jedoch sich verpflichten müssen, nach Ablauf der zwei Jahre eine Prüfung abzulegen und ins Beamtenverhältnis zu wechseln. Die Ausschreibung dieser Stellen im Amtsblatt reicht nicht aus; um auf ein Änderungsangebot verzichten zu können.
2. Als vergleichbar im Sinne von § 1 III KSchG sind nicht nur die Arbeitnehmer anzusehen, die aufgrund einer – inzwischen wieder rückgängig gemachten – Schlüsselbewertung gemäß einer Verfügung der Deutschen Bundespost in eine bestimmte Lohngruppe eingruppiert worden sind, sondern alle Arbeitnehmer, die in der Dienststelle vergleichbare Tätigkeiten verrichten, also auch die; die aufgrund einer früheren Bewertung entsprechende Tätigkeiten ausüben.
3. Herden in einem „Sammelanhörungsverfahren” zu Änderungskündigungen dem Personalrat nur die Arbeitnehmer mitgeteilt, die Gewerkschaftsmitglieder sind, nicht aber die übrigen Arbeitnehmer: die von einer Änderungskündigung betroffen sind, und enthält die Liste keine Sozialdaten, so ist die Anhörung unwirksam.
Das gleiche gilt; wenn diejenigen Arbeitnehmer nicht mitgeteilt werden; die schon aufgrund einer früheren Schlüsselbewertung höhergruppiert wurden und vergleichbare Tätigkeiten ausüben (Ziffer 2 des Leitsatzes).
Verfahrensgang
ArbG Bremen (Urteil vom 05.09.1990; Aktenzeichen 5 Ca 5331/89) |
Tenor
Die Berufungen der Beklagten gegen die Urteile des Arbeitsgerichts Bremen vom 5. September 1990 – 5 Ca 5330/89 und 5 Ca 5331/89 – werden auf Kosten der Beklagten als unbegründet zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die soziale Rechtfertigung der von der Beklagten ausgesprochenen Änderungskündigungen.
Der Kläger … ist im Fernmeldeamt Osnabrück als Fernmeldehandwerker beschäftigt. Er ist am 15.10.1958 geboren, verheiratet und hat zwei Kinder. Der Kläger Megger wurde am 8.4.1947 geboren. Auch er ist verheiratet, hat ein Kind und ist ebenfalls als Fernmeldehandwerker seit dem 15.10.1971 bei dem Fernmeldeamt Osnabrück tätig. Der Kläger … ist aufgrund der tarifvertraglichen Bestimmungen unkündbar.
Auf die Arbeitsverhältnisse finden aufgrund jeweils beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost Anwendung.
Die Kläger sind als bauausführende Kräfte tätig. Für diese Tätigkeiten führte die Beklagte unter dem Aufgabenträger Nr. 44229 im Bewertungskatalog für die Ämter des Fernmeldewesens mit Verfügung des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen vom 21.5.1985 rückwirkend zum 1.5.1985 eine sogenannte Schlüsselbewertung ein. Danach erhielt die von den Klägern verrichtete Tätigkeit die Bewertung
A 5: A 3/4: Arb = 12: 8: 80.
Dies bedeutete, daß die dem Aufgabenträger Nr. 44229 in einem Fernmeldebaubezirk übertragene Aufgabe zu 12 % von Beamten der Besoldungsgruppe A 5, zu 8 % von Beamten der Besoldungsgruppe A 3/4 und zu 80 % von Arbeitern wahrzunehmen war.
Mit Verfügung vom 21.8.1985 wurde die Bewertung wiederum rückwirkend zum 1.5.1985 wie folgt geändert:
A 5: A 3/4: Arb = 13: 15: 72.
Beide Kläger hätten nach der Schlüsselbewertung vom 21.5.1985 Anspruch auf … die Vergütungsgruppe I a gehabt. Da die Beklagte sich jedoch weigerte, die höhere Vergütung zu zahlen; machten alle von der Schlüsselbewertung vom 21.5.1985 betroffenen Arbeitnehmer (etwa 10.000 im gesamten Bundesgebiet), so auch die Kläger, gegenüber der Beklagten die Höhergruppierung nach Lohngruppe I a ab Mai 1985 geltend. Dies nahmen der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen und die Deutsche Postgewerkschaft zum Anlaß eine Musterprozeßvereinbarung zu treffen mit dem Ziel, die Ansprüche der betroffenen Beschäftigten vor Verjährung zu schützen. Dieser Vereinbarung zufolge sollte nur ein Verfahren durchgeführt werden. Die Beklagte erklärte sich bereit, die übrigen Kläger klaglos zu stellen, falls ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts zugunsten der Kläger erginge. Wegen der Einzelheiten der Musterprozeßvereinbarung wird auf Bl. 19 ff d. A. … verwiesen.
Durch Urteil vom 14.6.1989 entschied das Bundesarbeitsgericht in einem Pilotverfahren, daß die Beklagte verpflichtet sei, den dortigen Kläger ab 1.5.1985 nach Lohngruppe I a zu bezahlen, weil die Schlüsselbewertung vom 21.8.1985 den durch die vorangegangene Schlüsselbewertung begründeten tariflichen Mindestvergütungsanspruch nicht berühre. Das Bundesarbeitsgericht hat durch die Entscheidungen vom 28.11.1990 – 4 AZR 108/90 und 4 AZR 289/90 – entschieden, daß die dortigen Kläger unter Schlüsselbewertung vom 21.5.1985 einen tariflichen Anspruch auf Vergütung nach Lohngruppe I a erworben hatten, diese aber aufgrund der Schlüsselbewertung vom 21.8.1985 wieder entfallen ist, daß aber den Klägern ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf Vergütung nach...