Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristet beschäftigte Arbeitnehmer. Ungleichbehandlung befristet beschäftigter Arbeitnehmer. Gewährung tariflicher Besitzstandszulagen. Diskriminierung wegen befristeter Beschäftigung
Leitsatz (redaktionell)
1. § 23 Entgelttarifvertrag für Arbeiter der Deutsche Post AG vom 20.10.2000 ist wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG und § 4 Abs. 2 TzBfG unwirksam, soweit er befristet beschäftigte Arbeitnehmer von der Zahlung von Besitzstandszulagen ausschließt, die sowohl am 31.12.2000 als auch am 01.01.2001 in einem befristeten Arbeitsverhältnis stehen.
2. Die Tarifvertragsparteien sind trotz ihrer Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG an § 4 Abs. 2 TzBfG gebunden und können keine für befristet beschäftigte Arbeitnehmer benachteiligenden tariflichen Regelungen vereinbaren.
Normenkette
TVG § 1 Abs. 1; TzBfG § 22 Abs. 1, § 4 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Bremen (Urteil vom 20.02.2002; Aktenzeichen 9 Ca 9239/01) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 20.02.2002 – Az.: 9 Ca 9239/01 – wird auf ihre Kosten als unbegründet zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit seiner am 27.06.2001 beim Arbeitsgericht Bremen eingegangenen Klage macht der Kläger Ansprüche auf tarifliche Besitzstandszulagen geltend.
Der Kläger ist seit dem 31.12.1999 ununterbrochen bei der Beklagten, Niederlassung Produktion Brief Bremen, als Zusteller beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge bis zum 31.12.2001 (zuletzt durch den Arbeitsvertrag vom 22.12.2000 – Bl. 17/18 d. A.) befristet. Die Wirksamkeit der Befristungen hat der Kläger nicht angegriffen. Seit dem 01.06.2001 besteht zwischen den Parteien aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 23.05.2001 (Bl. 20 d. A.) ein unbefristetes Arbeitsverhältnis im Umfang von 38,5 Wochenstunden.
Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für Arbeiter (MTV-Arb) TV Nr. 75 d Anwendung, welcher am 28.04.2000 abgeschlossen wurde. Mit dem TV Nr. 75 d Erster Teil wurden zum 31.12.2000 die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeiter der D. AG (TV Arb) außer Kraft gesetzt. Damit verbunden war eine deutliche Absenkung der Grundvergütung für ab dem 01.01.2001 eingestellte Arbeiterinnen und Arbeiter bei gleichzeitiger Einführung von Leistungslohnelementen. Im Falle des Klägers betrug die Differenz des Brutto-Monatsentgelts zwischen Dezember 2000 und Januar 2001 DM 466,17 (vgl. die Aufstellung Bl. 188 d. A.).
Für diese Einkommensminderung sehen die §§ 23 ff ETV-Arb (Dritter Teil des TV Nr. 75 d) unter bestimmten Voraussetzungen einen Ausgleich vor. § 23 ETV-Arb lautet: „§ 23
Geltungsbereich für § 24 und § 25
Für Arbeiter, die am 31.12.2000 bereits und am 01.01.2001 noch in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur D. AG standen und stehen, finden die Regelungen der §§ 24 und 25 für die Dauer dieses Arbeitsverhältnisses Anwendung.”
Die §§ 24 und 25 ETV-Arb normieren Ansprüche auf die Besitzstandszulagen „Lohn” (§ 24) und „Zuschläge” (§ 25) und verweisen jeweils auf Anlagen.
Zuvor hatten die Tarifvertragsparteien das sog. Petersberger Eckpunktepapier vom 21.03.2000 (Bl. 176 bis 179 d. A.) vereinbart, in dem u.a. festgelegt wurde, dass bis zum 31.12.2003 keine Fremdvergabe von Zustellbezirken durch die Beklagte erfolgte, der Fremdbetrieb von Paketzustellbezirken nach dem 31.12.2000 zum frühestmöglichen Zeitpunkt beendet wurde, bis zum 31.12.2004 betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sein sollten und 1.200 befristet Beschäftigte in unbefristete Arbeitsverhältnisse übernommen werden sollten. In der Folgezeit nach der Unterzeichnung des sog. Petersberger Eckpunktepapiers traten die Beklagte und die Deutsche Postgewerkschaft zu einer Reihe von Tarifverhandlungen zusammen, die zum Abschluss der Tarifverträge Nr. 75 a, 75 b und 75 c, die u.a. Regelungen zur Arbeitszeit, zu Ruhetagen und zur Überzeitarbeit enthalten, führten. Ferner kam es zum Abschluss des Tarifvertrages Nr. 75 e, durch den im Wesentlichen der Ausschluss betriebsbedingter Beendigungskündigungen für die Zeit bis zum 31.12.2004 geregelt wurde, des Tarifvertrags Nr. 75 f, der eine Reihe von Tarifverträgen änderte, sowie des Vertrags zum Ausschluss der Fremdvergabe von Zustellbezirken, in dem die Fremdvergabe von Zustellbezirken bis zum 31.12.2003 ausgeschlossen und die frühestmögliche Beendigung des Fremdbetriebs von Paketzustellbezirken für die Zeit nach dem 31.12.2000 angeordnet wurde.
Darüber hinaus vereinbarten die Beklagte und die Deutsche Postgewerkschaft unter dem 20.12.2000 den Tarifvertrag Nr. 75 d, dessen Zweiter Teil den Manteltarifvertrag für Arbeiter (MTV-Arb) und dessen Dritter Teil den Entgelttarifvertrag (ETV-Arb), jeweils mit Wirkung zum 01.01.2001, in Kraft setzte.
Im Hinblick darauf, dass sein Arbeitsverhältnis vor den in § 23 ETV-Arb genannten Stichtagen befristet war, er...