Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats bei Stellenbesetzung wegen nicht mitbestimmter Personalbögen. Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats bei personeller Einzelmaßnahme. Umfang der Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers gegenüber Betriebsrat bei Stellenbesetzung. Frage der Mindestbesetzung im Schichtsystem im Rahmen einer Betriebsvereinbarung
Leitsatz (amtlich)
1. Verwendet die Arbeitgeberin bei der Stellenbesetzung nicht mitbestimmte Personalfragebögen oder Beurteilungsgrundsätze i.S.v. § 94 BetrVG begründet dies kein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG.
2. Zu den Anforderungen an die Unterrichtungspflicht der Arbeitgeberin und an die Begründungspflicht für den Widerspruch des Betriebsrats in einem solchen Fall.
3. Eine Betriebsvereinbarung über ein Schichtsystem enthält nicht zugleich Regelungen über eine Mindestbesetzung der Schichten. Hierfür bedürfte es eindeutiger und klarer Regelungen in der Betriebsvereinbarung, die eine solche Mindestbesetzung vorschreiben. Daran fehlte es.
Normenkette
ArbGG § 87 Abs. 2, § 89 Abs. 2; BetrVG §§ 93-94, 95 Abs. 3, § 99 Abs. 1-2, 4; SGB IX § 164 Abs. 1-2; ZPO § 520 Abs. 3; ArbGG § 92
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 04.10.2022; Aktenzeichen 6 BV 107/22) |
Tenor
- Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 04.10.2022 - 6 BV 107/22 - wird zurückgewiesen.
- Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A. Die Beteiligten streiten zuletzt über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer Versetzung.
Die Antragstellerin (im Folgenden: Arbeitgeberin) ist eine Gießerei mit Sitz in V. Sie stellt Gussteile aus Kugelgraphitguss (Sphäroguss) für PKW und Nutzfahrzeuge her. Dazu gehören unter anderem Fahrwerksteile wie Schwenklager, Radträger und Querlenker, Hinterachsgehäuse, Kurbelwellen und Pleuel. Bei der Arbeitgeberin sind zurzeit ca. 970 Mitarbeiter beschäftigt. Der Beteiligte zu 2. (im Folgenden: Betriebsrat) ist der bei der Arbeitgeberin gebildete 15-köpfige Betriebsrat.
Die Arbeitgeberin schrieb die Stelle als Koordinator Elektrotechnik im Zeitraum vom 21.03.2022 bis 04.04.2022 intern aus. Auf die Stellenausschreibung bewarben sich intern vier Mitarbeiter, Herr J., Herr A. (damals Betriebsratsmitglied und inzwischen ausgeschieden), Herr Y. (Betriebsratsmitglied) und Herr G. In der Folgezeit fanden Gespräche mit den vorgenannten Bewerbern statt. Auf der Arbeitgeberseite nahmen an den Bewerbungsgesprächen Herr K. und Frau O. teil. Im Rahmen dieser Bewerbungsgespräche verwendete Frau O. Interviewbögen, in welchen sie sich während der Bewerbungsgespräche handschriftliche Notizen machte. Im Nachgang zu den Bewerbungsgesprächen setzten sich Herr K. und Frau O. zusammen und Herr K. füllte für jedes der Bewerbungsgespräche jeweils einen Interviewbogen in MS-Word aus. Er führte dabei sowohl seine Eindrücke als auch die Eindrücke von Frau O. zu dem jeweiligen Bewerber zusammen. In den Interviewbögen waren Punkte für einzelne Kriterien hinsichtlich der einzelnen Bewerber aufgeführt, die zu einer aufgeführten Gesamtpunktzahl führten. Ebenso befanden sich in den Bögen weitere Erläuterungen zu den einzelnen Bewerbern. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage AS2 "Vergleich Stellen- / Anforderungsprofil mit Bewerberprofil" zur Antragsschrift Bezug genommen. Herr J. erreichte hierbei die höchste Punktzahl. Eine Zustimmung des Betriebsrats zur Verwendung der Interviewbögen lag nicht vor. Nach diesen Gesprächen entschied sich die Arbeitgeberin für den Mitarbeiter Herrn J. und wollte die Stelle als Koordinator Elektrotechnik mit ihm besetzen.
Mit Schreiben vom 03.05.2022 beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zur Versetzung des Mitarbeiters J. auf die Stelle als Koordinator Elektrotechnik. Die Arbeitgeberin teilte dem Betriebsrat unter Angabe der Personalien des Mitarbeiters J. darin mit, dass Herr J. auf die Position als Koordinator Elektrotechnik versetzt werden soll. Sie teilte dem Betriebsrat den Ablauf des Bewerbungsverfahrens sowie die Bewerber mit und fügte die seitens Herrn K. und Frau O. gemeinsam ausgefüllten Interviewbögen bei. Sie führte weiter Folgendes aus: "Nach diesen Gesprächen haben wir uns für Herrn J. entschieden und möchten ihn nunmehr zum 09.05.2022 versetzen". Die Arbeitgeberin teilte dem Betriebsrat zudem mit, dass keine Auswirkungen oder Nachteile für andere Beschäftigte entstünden und gegenteilig durch die Versetzung sichergestellt werde, dass der Bereich Betriebstechnik eine geregelte Nachfolge erhalte, so dass es im Bereich des Herrn M. durch die Versetzung zu keiner Arbeitsverdichtung komme. Sie stellte zudem die Qualifikationen und die Eignung von Herrn J. dar. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Mitteilung der Arbeitgeberin vom 03.05.2022 an den Betriebsrat nebst Anlagen (Anlage AS3 zur Antragsschrift) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 06.05.2022, der Arbeitgeberin ...