Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer Weisung des Arbeitgebers, das Rauchen außerhalb der Pausen zu unterlassen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Haben die Betriebsparteien das Rauchen am Arbeitsplatz wirksam untersagt, stellt das Verbot, die Arbeitszeit zusätzlich zu den regelmäßigen Pausen (Frühstücks- und Mittagspause) zum Zwecke des Rauchens in den eingerichteten Raucherzonen zu unterbrechen, keinen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der Arbeitnehmer dar, der besonders zu rechtfertigen wäre.

2. Aus der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG folgt kein Anspruch, die Arbeitszeit außerhalb der gesetzlich, tariflich oder betrieblich vereinbarten Pausen zum Zwecke des Rauchens zu unterbrechen, der eine Verpflichtung der Betriebsparteien im Sinne des § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG begründen würde, zusätzliche Raucherpausen zu vereinbaren.

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1; BetrVG § 75 Abs. 2 S. 1, § 77 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Wuppertal (Entscheidung vom 01.10.2015; Aktenzeichen 5 BV 28/15)

 

Tenor

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 01. Oktober 2015 - 5 BV 28/15 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Weisung der Beteiligten zu 2 an ihre Arbeitnehmer, das Rauchen außerhalb der Pausen zu unterlassen.

Die Beteiligte zu 2 ist ein Einkaufs- und Marketingverbund für ca. 1.000 mittelständische Großhändler im Produktionsverbindungshandel. Der Antragsteller ist der bei der Beteiligten zu 2 gebildete Betriebsrat.

Unter dem 07.12.2004 vereinbarten die Beteiligten eine Betriebsvereinbarung "Rauchverbot", gültig ab dem 01.01.2005. In dieser heißt es u. a.:

"Vorwort

Geschäftsführung und Betriebsrat gehen davon aus, dass alle Mitarbeiter/innen des Unternehmens ein Betriebsklima und einen Umgang miteinander wünschen, das von dem Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme und Anerkennung der persönlichen Rechte des Einzelnen geprägt ist.

Normal ist und erwartet wird ein kollegialer Umgang der Mitarbeiter/innen miteinander, auch dann, wenn deren Interessenlagen unterschiedlich sind. Beim Rauchen stößt das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Einen auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Anderen, welches einschließt, dem Rauchwunsch jederzeit nachgehen zu können.

Aus diesem Grunde haben sich Geschäftsführung und Betriebsrat veranlasst gesehen, eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, die den Interessen aller Mitarbeiter/innen Rechnung trägt.

§ 1

Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer des E/D/E im Sinne des § 5 Betriebsverfassungsgesetz. Von allen übrigen Anwesenden im Betrieb wird Beachtung dieser Betriebsvereinbarung erwartet.

[...]

§ 3

Alle Mitarbeiterinnen, die während der Arbeitszeit ihren Arbeitsplatz verlassen, um die Raucherzonen aufzusuchen, haben das durch Bedienen des für sie zuständigen Zeiterfassungsterminals anzuzeigen.

Dafür sind folgende Tastenkombinationen vorgesehen:

F4 + F3? Verlassen des Arbeitsplatzes

F4 + F3 + F3? Rückkehr zum Arbeitsplatz

Die erfassten Zeiten werden durch Infoabruf am Terminal angezeigt.

Die erfassten Zeiten werden durch Infoabruf am Terminal angezeigt. Sie haben z.Zt. keinen Abzug bei der Lohn-/Gehaltsabrechnung zur Folge. Jedoch behält sich die Geschäftsführung vor, bei Überprüfung, welche Arbeitszeiten durch die Rauchpausen ausgefallen sind, mit dem Betriebsrat eine Lösung zu erarbeiten, um den Verlust für das Unternehmen zu minimieren.

Diese Überprüfung ist 6 Monate nach Inkrafttreten dieser Betriebsvereinbarung vorgesehen."

Unter § 6 der Betriebsvereinbarung heißt es:

"Diese Betriebsvereinbarung tritt mit Wirkung ab 01.01.2005 in Kraft und löst die bisher gültige Vereinbarung zwischen der Geschäftsführung und Betriebsrat vom 17.06.1998 ab.

Sie kann mit einer Frist von 3 Monaten zum Monatsende gekündigt werden.

Sie wirkt nach, bis sie durch eine neue Regelung ersetzt oder von beiden Seiten einvernehmlich aufgehoben worden ist."

Wegen der weiteren Einzelheiten der Betriebsvereinbarung vom 07.12.2004 wird auf die zur Akte gereichte Kopie verwiesen (Bl. 46 f. d. A.).

Mit Schreiben vom 27.02.2012 kündigte die Beteiligte zu 2 die Sätze 4 bis 6 des § 3 der Betriebsvereinbarung "Rauchverbot" vom 07.12.2004 mit Wirkung zum 31.05.2012. Wegen des näheren Inhalts des Kündigungsschreibens wird auf die zur Akte gereichte Kopie verwiesen (Bl. 48 d. A.).

Mit Schreiben vom 29.04.2013, gerichtet an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, teilte die Beteiligte zu 2 mit, dass ab dem 01.05.2013 für alle Betriebsgebäude sowie das Betriebsgelände ein absolutes Rauchverbot mit Ausnahme der als Raucherzone gekennzeichneten Bereiche gelte. Weiter heißt es in dem Schreiben:

"Das Rauchen ist nur noch während der Mittagspause sowie in der Logistik zudem in der Frühstückspause gestattet."

Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens wird auf den zur Akte gereichte Kopie verwiesen (Bl. 49 d. A.).

Gegen die in diesem Schreiben enthaltene Weisung wandte sich der Beteiligte zu 1...

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