Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsgebühr und Mehrvergleich. Prozesskostenhilfe für Mehrvergleich. 1,5 Gebühr für Mehrvergleich

 

Leitsatz (amtlich)

Die Einigungsgebühr für den Gegenstand eines sogenannten Mehrvergleichs beträgt auch dann gemäß Nr. 1000 VV RVG 1,5, wenn Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich beantragt ist und das Gericht über die bloße Protokollierung hinaus am Zustandekommen des Mehrvergleichs mitgewirkt hat (a. A. die h. M.). Denn der Antrag ist auch in diesem Fall lediglich auf Prozesskostenhilfe für die Protokollierung des Mehrvergleichs gerichtet (Rückausnahme der Nr. 1003 Abs. 1 Satz 1 VV RVG).

 

Normenkette

VV-RVG Nr. 1003; RVG § 33; VV-RVG Nr. 1000; RVG § 56

 

Tenor

Auf die Erinnerung des Klägervertreters wird der Festsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 29.08.2014 abgeändert. Die dem Klägervertreter aus der Staatskasse zu zahlende Einigungsgebühr für den Mehrwert des gerichtlichen Vergleichs vom 31.07.2014 (1.200,00 €) ist gemäß Nr. 1000 VV RVG mit dem Faktor 1,5 anzusetzen.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer begehrt im Rahmen der Abrechnung seiner Prozesskostenhilfegebühren die Festsetzung einer Einigungsgebühr für den Mehrwert eines Vergleichs in Höhe von 1,5.

Die Parteien schlossen im 2. Rechtszug ihres Kündigungsrechtsstreits im Termin am 31.07.2014 "nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage auf Vorschlag des Vorsitzenden" einen gerichtlich protokollierten Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Kündigung geendet hat sowie Abwicklungsmodalitäten, eine Abfindungszahlung und eine Ausgleichsklausel vereinbart wurden. Im Anschluss an die Genehmigung des Vergleichs und noch in der mündlichen Verhandlung beantragte der Kläger, die bereits zuvor für diesen Rechtszug "erteilte Prozesskostenhilfe auch auf den Mehrvergleich zu erstrecken". Das Landesarbeitsgericht bewilligte daraufhin unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten die Prozesskostenhilfe auch für den Vergleich und setzte anschließend den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 4.800,00 € und für den Vergleich auf 6.000,00 € fest.

Mit seinem Vergütungsfestsetzungsantrag vom 31.07.2014 beantragte der Klägervertreter für den Mehrwert des Vergleichs von 1.200,00 € die Festsetzung einer Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG mit dem Faktor 1,5. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Landesarbeitsgerichts setzte lediglich eine Einigungsgebühr i.H.v. 1,0 gemäß Nr. 1003 VV RVG an und führte zur Begründung aus, eine Gebührenreduzierung nach Nr. 1003 VV RVG finde immer schon dann statt, wenn der Mehrvergleich Gegenstand der gerichtlichen Erörterung gewesen ist, sodass das Gericht nicht mehr allein als Beurkundungsorgan für einen außergerichtlich erreichten Vergleich in Anspruch genommen wird. Der hiergegen eingelegten Erinnerung hat er nicht abgeholfen und sie dem Kammervorsitzenden zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Über die - unbefristete - Erinnerung des Klägervertreters gegen die Festsetzung seiner aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung war gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 RVG durch Beschluss zu entscheiden. Gemäß § 56 Abs. 2 i. V. m. § 33 Abs. 8 RVG ist der Vorsitzende als Einzelrichter zuständig.

In der Sache hat die Erinnerung Erfolg. Entgegen der Auffassung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle war die Einigungsgebühr für den Mehrvergleich nach Nr. 1000 VV RVG mit dem Faktor 1,5 anzusetzen.

Nach Nr. 1000 der Anlage 1 zum RVG beträgt die Einigungsgebühr grundsätzlich 1,5. Die erhöhte Gebühr soll einen Anreiz zur Vermeidung streitiger Entscheidungen setzen und damit zur Entlastung der Gerichte beitragen. Nach Nr. 1003 VV RVG ermäßigt sich die Gebühr auf 1,0, wenn über den Gegenstand der Einigung ein anderes gerichtliches Verfahren als ein selbstständiges Beweisverfahren anhängig ist. Dies gilt nach Abs. 1 der Anmerkungen zu Nr. 1003 VV RVG unter anderem auch, wenn in Bezug auf den Gegenstand ein Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe anhängig ist, soweit nicht lediglich Prozesskostenhilfe für die gerichtliche Protokollierung eines Vergleichs beantragt wird.

Die Voraussetzungen für die Ermäßigung nach Nr. 1003 VV RVG liegen nicht vor. Als gerichtliches Verfahren über den Gegenstand des Mehrvergleichs kommt hier von vornherein nur das Verfahren über die beantragte Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich in Betracht. An einem solchen Verfahren könnte es schon deshalb fehlen, weil im Zeitpunkt der Verwirklichung des Gebührentatbestands, also bei Genehmigung des Vergleichs durch die Prozessbevollmächtigten, der Antrag auf Erstreckung der Prozesskostenhilfe noch nicht gestellt war. Die Frage kann aber offenbleiben. Selbst wenn der Antrag auf Erstreckung von Prozesskostenhilfe auf den Mehrvergleich als bereits in dem ursprünglichen Prozesskostenhilfeantrag des Klägers "stillschweigend" enthalten anzusehen (vgl. etwa BAG 16.02.2012 - 3 AZB 34/11, NZA 2012, 1390; BAG 30.04.2014 - 10 AZB 13/14, NZA-RR 2014, 382 Rn. 16 ff.) und er damit bei Genehmigung des Vergleichs als bereits "anhängig" i....

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