Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsvereinbarung. Haustarifvertrag. tarifwidrige betriebliche Regelungen
Leitsatz (amtlich)
1) Schließen Betriebsrat und Arbeitgeber unter Beteiligung der zuständigen Gewerkschaft eine „Betriebsvereinbarung über einen Konsolidierungsvertrag”, so handelt es sich hierbei um eine Betriebsvereinbarung und nicht um einen Haustarifvertrag.
2) Die Betriebsvereinbarung verstößt gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG und ist deshalb rechtsunwirksam.
3) Die Beteiligung der Gewerkschaft ist nicht als Zulassung einer solchen Betriebsvereinbarung im Sinne des § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG zu werten.
Normenkette
BetrVG § 77
Verfahrensgang
ArbG Solingen (Urteil vom 21.04.1999; Aktenzeichen 3 Ca 158/99) |
Tenor
1) Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 21.04.1999 – 3 Ca 158/99 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2) Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob der Kläger von der Beklagten eine tarifliche Sonderzahlung beanspruchen kann.
Der Kläger ist seit nahezu 30 Jahren bei der Beklagten als Arbeitnehmer beschäftigt. Sein Bruttostundenlohn betrug zuletzt DM 25,50 bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden nach Darstellung der Beklagten die Tarifverträge für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Hiernach gelten unter anderem der „Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung 1999 vom 02.11.1998” und der „Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens vom 11.12.1996” für das Arbeitsverhältnis der Parteien.
Die Beklagte trat mit Wirkung vom 31.12.1996 aus dem Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen aus. Angesichts erheblicher wirtschaftlicher Schwierigkeiten führte sie im Oktober 1998 eine Betriebsänderung durch, in deren Rahmen insgesamt 74 Arbeitsplätze abgebaut wurden. Hierzu vereinbarte die Beklagte unter dem 30.10.1998 mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan, der die entstandenen wirtschaftlichen Nachteile der betroffenen Arbeitnehmer unter anderem durch die Regelung von Abfindungszahlungen abfedern sollte.
Am 07.12.1998 schlossen der Betriebsrat und die Beklagte sowie die „IG Metall Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen” eine „Betriebsvereinbarung über einen Konsolidierungsvertrag”, mit der die Sanierungsbemühungen der Beklagten und die Sicherung der verbliebenen Arbeitsplätze unterstützt werden sollte. In Ziffer 3 der Vereinbarung heißt es:
3. Gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte „ohne” Leitungsfunktion:
Variabilisierung der 13. Tariflichen Sonderzahlung (Weih nachts- und Urlaubsgeld)
Die 13. tarifliche Sonderzahlung (nach Tarif) für die Geschäftsjahre 98/99, 99/00 und 00/01 (MTV-NRW 01.01.1997) für die gewerblichen Arbeitnehmer(innen) wird variabilisiert. In diesen Geschäftsjahren erfolgt für den Fall, dass mindestens 3 % + x Unternehmensrendite erwirtschaftet werden, die 13. tarifliche Sonderzahlung nach der tariflichen Norm. Basis ist die steuerliche Bilanz sowie das Berechnungsschema nach Punkt 6.
Ab dem 01.01.2002 tritt die bis dahin ausgesetzte gültige tarifliche Regelung laut Anerkennungstarifvertrag wieder in Kraft.
Die Sonderzahlungen für die Geschäftsjahre 98/99, 99/00, 00/01 sollen zukünftig variabel, d.h. gewinnabhängig, vergütet werden. Daher wird für das Geschäftsjahr 98/99 zunächst auf die Auszahlung der 13. tariflichen Sonderzahlung verzichtet. Erst nach Feststellung der Rendite für 98/99 (steuerliche Bilanz) wird die 13. tarifliche Sonderzahlung bei Erfüllung der Mindestvoraussetzungen (3 %) nachgezahlt, maximal in der tariflich vereinbarten Höhe. Sofern der steuerliche Gewinn für die Auszahlung der vollständigen 13. tariflichen Sonderzahlung nicht ausreicht, wird diese anteilig ausgezahlt.
Ziffer 6.1 der Vereinbarung hat folgenden Wortlaut:
6.1 Einmalig Zahlung in 1999
Alle Mitarbeiter, die an der Verzichtsregelung und der Flexibilisierung „teilnehmen”, erhalten einmalig 500,00 DM (spätestens zum 01.07.99, ggf. früher in Abstimmung mit der Geschäftsleitung). Bei dieser Zahlung handelt es sich um eine einmalige Zuwendung, d.h., hieraus kann kein Anspruch auf Regelmäßigkeit abgeleitet werden. Bei dieser Zahlung handelt es sich um eine Netto-Zahlung. Mögliche Steuern und Sozialabgaben hierauf trägt der Arbeitgeber. Die effektive Zuwendung dieser einmaligen Zahlung ist abhängig davon, dass der betreffende Mitarbeiter zum Stichtag 01.07.99 in einem noch ungekündigten Arbeitsverhältnis mit der B. Gesenkschmiede GmbH & Co. KG steht. Sollte dies nicht der Fall sein (z.B. bei Austritt aus dem Unternehmen vor dem 01.07.99), wird dieser Betrag von dem ihm zustehenden Monatsentgelt einbehalten. Hierüber wird mit jedem Mitarbeiter eine einzelvertragliche Regelung getroffen. Die Gesamtsumme wird durch die Teilverzichte auf das Gehalt des Herrn G. aufgebracht und mindert somit nicht das Betriebsergebnis.
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