Leitsatz (amtlich)
Hängt die Entstehung des Anspruchs auf die Gewährung einer tariflichen Jahressonderzahlung von einem bestimmten Maß an tatsächlicher Arbeitsleistung im Kalenderjahr ab, kann diese Anspruchsvoraussetzung auch noch nach dem im Tarifvertrag vorgesehenen Fälligkeitstermin erfüllt werden.
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
ArbG Duisburg (Urteil vom 30.08.1995; Aktenzeichen 1 Ca 231/95) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 30.08.1996 – 1 Ca 231/95 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine tarifliche Sonderzahlung für das Jahr 1994.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem Jahre 1984 als Malergeselle beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet u.a. der Tarifvertrag über die Zahlung einer Weihnachtszuwendung – Jahressondervergütung im Maler- und Lackiererhandwerk vom 15.06.1994 (im folgenden: TV-Sonderzahlung) Anwendung.
Der Kläger erbrachte in der Zeit vom 01.01.1994 bis zum 31.12.1994 seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung mit Ausnahme folgender Zeiträume: In den Monaten Januar bis März 1994 hatte der Kläger insgesamt 24 Arbeitstage Urlaub. In der Zeit vom 06.07. bis 28.11.1994 war er aufgrund eines Unfalls arbeitsunfähig.
Die tariflichen Bestimmungen des TV-Sonderzahlung haben, soweit vorliegend von Interesse, folgenden Wortlaut:
§ 2
Sondervergütung
1. Der Beschäftigte hat nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Anspruch auf Zahlung einer Sondervergütung.
2. Der Anspruch des Beschäftigten auf diese tarifliche Sondervergütung kann auf betriebliche Sonderzahlungen des Arbeitgebers wie Weihnachtsgeld, Gratifikation, Jahresleistungsprämie, Ergebnisbeteiligung oder Jahresabschlußvergütung voll angerechnet werden. Dies gilt auch, soweit auf diese Leistungen ein Rechtsanspruch besteht.
3. Die Sondervergütung wird fällig mit der Abrechnung für den Monat November.
§ 3
Leistungsvoraussetzungen
1. Den Anspruch auf die volle Sondervergütung erwirbt der Beschäftigte, der am 01. Dezember des Kalenderjahres (Stichtag) in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht, mindestens vierundzwanzig Monate ununterbrochen im Betrieb beschäftigt war und im Kalenderjahr mindestens sechs Monate tatsächlich gearbeitet hat.
2. Der Anspruch auf Sondervergütung beträgt bei einer Betriebszugehörigkeit am Stichtag
von mindestens zwölf Monaten |
50 % |
von mindestens vierundzwanzig Monate |
100 % |
der vollen Sondervergütung.
Die Beklagte zahlte dem Kläger mit der Novemberabrechnung 1994 eine Sondervergütung in Höhe von DM 500,– brutto. Mit seiner der Beklagten am 03.02.1995 zugestellten Klage macht der Kläger gestützt auf den TV-Sonderzahlung die restliche Sondervergütung für 1994 in unstreitiger Höhe von DM 376,– brutto geltend.
Der Kläger hat demzufolge beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, DM 376,– brutto nebst 4 % Zinsen aus dem entsprechenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit an ihn zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Kläger habe entgegen § 3 Nr. 1 TV-Sonderzahlung am hierfür maßgeblichen Stichtag, nämlich 01.12.1994, nicht mindestens sechs Monate im Jahre 1994 tatsächlich gearbeitet.
Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat nach Einholung von Auskünften bei den Parteien des TV-Sonderzahlung, auf deren Inhalt ausdrücklich Bezug genommen wird, durch Urteil vom 30.08.1995 der Klage stattgegeben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
§ 3 Nr. 1 TV-Sonderzahlung könne keinesfalls so ausgelegt werden, daß ein Arbeitnehmer bereits am Stichtag eines Kalenderjahres (01.12.) eine sechsmonatige tatsächliche Arbeitsleistung im Kalenderjahr aufweisen müsse. Bei einer derartigen Auslegung würde nämlich die von ihm im Dezember eines Kalenderjahres erbrachte Arbeitsleistung unberücksichtigt bleiben. Dahinstehen könne, ob § 3 Nr. 1 TV-Sonderzahlung dahingehend ausgelegt werden könne, daß der Dezember eines Kalenderjahres bei der Berechnung des Sechsmonatszeitraums mit tatsächlicher Arbeitsleistung ungeachtet der Stichtagsregelung mitzähle oder aber die Mindestarbeitsleistung von sechs Monaten innerhalb des letzten Jahres vor dem Stichtag (01.12.) erbracht sein müsse. Denn der Kläger habe in jedem Fall nach den zuletzt genannten beiden Auslegungsmöglichkeiten eine tatsächliche Arbeitsleistung von mindestens sechs Monaten erbracht.
Gegen das ihr am 09.10.1995 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf, das die Berufung ausdrücklich zugelassen hat, hat die Beklagte mit einem beim Landesarbeitsgericht am 07.11.1995 eingereichten Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 04.12.1995 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagte ist der Auffassung:
Der Kläger erfülle nicht die in § 3 Nr. 1 TV-Sonderzahlung genannte Voraussetzung „am 1. Dezember des Kalenderjahres im Kalenderjahr mindestens sechs Monate tatsächlich gearbeitet zu haben.” Der Versuch des Arbeitsgerichts, dem Kläger doch einen Anspruch zu verschaffen, indem man entgegen dem einde...