Entscheidungsstichwort (Thema)
Karenzentschädigung. Formnichtigkeit. unzulässige Rechtsausübung
Leitsatz (amtlich)
1. Wird lediglich mündlich vereinbart, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Karenzentschädigung in der gesetzlichen Mindesthöhe als Gegenleistung für ein schriftlich vereinbartes nachvertragliches Wettbewerbsverbot schuldet, ist das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nichtig.
2. Wenn der Arbeitgeber den Abschluss des Arbeitsvertrages von der Zustimmung des Arbeitnehmers zum formnichtigen Wettbewerbsverbot abhängig gemacht und zugleich zum Ausdruck gebracht hat, die gesetzlichen Bestimmungen seien eingehalten, kann er sich auf die Formnichtigkeit nach Treu und Glauben nicht berufen.
Normenkette
HGB § 74 Abs. 1; BGB § 125 S. 1, § 242
Verfahrensgang
ArbG Solingen (Urteil vom 27.05.2009; Aktenzeichen 1 Ca 1912/08 lev) |
Tenor
Das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 27.05.2009 – 1 Ca 1912/08 lev – wird abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 37.400,33 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus jeweils 3.400,03 EUR ab dem 30.11.2008, 31.12.2008, 31.01.2009, 28.02.2009, 31.03.2009, 30.04.2009, 31.05.2009, 30.06.2009, 31.07.2009, 31.08.2009 und 30.09.2009 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, künftig an jedem Monatsende, beginnend mit dem 31.07.2009 und letztmalig am 31.10.2010, 3.400,03 EUR brutto an den Kläger zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine Karenzentschädigung zu zahlen.
Der Kläger wurde von der Beklagten zum 01.12.2006 als Berater eingestellt. Nach dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 22.09.2006 erhielt er ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 4.958,00 EUR sowie zusätzliche Leistungen.
In Ziffer 13 des Arbeitsvertrages vereinbarten die Parteien Folgendes:
„13 Kundenschutzklausel
13.1 Während der Zeit der Anstellung und innerhalb zwei Jahre nach Beendigung darf der Arbeitnehmer nicht direkt oder indirekt, weder entgeltlich noch unentgeltlich für Kunden, bei denen er im Rahmen der Anstellung eingesetzt wird oder die er im Rahmen der Anstellung für den Arbeitgeber akquiriert, als Selbständiger tätig werden und in dieser Tätigkeit diese Kunden beraten oder in sonstiger Weise unterstützen.
13.2 Dem Arbeitnehmer ist es ausdrücklich untersagt, seine Kontakte zu Kunden des Arbeitgebers zu Gunsten eigener Geschäftsbeziehungen oder zu Gunsten Dritter, d. h. anderer Unternehmen, zu nutzen.”
Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen wird auf den Anstellungsvertrag vom 22.09.2006 (Bl. 7 – 11 d. A.) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 24.07.2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2008. Eine zweite Kündigung erklärte sie mit Schreiben vom 21.08.2008. Vor dem Arbeitsgericht Solingen schlossen die Parteien einen Prozessvergleich, in dem sie vereinbarten, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.10.2008 endet und der Kläger eine Abfindung erhält. Das Zustandekommen und der Inhalt des Vergleichs wurden vom Arbeitsgericht Solingen mit Beschluss vom 15.10.2008 festgestellt. Auf die Einzelheiten des Vergleichs wird Bezug genommen (Bl. 18 u. 19. d. A.).
Mit Schreiben vom 26.11.2008 teilte der Kläger der Beklagten mit, er werde sich an die für ihn verbindlichen Auflagen der Ziffer 13.1 und 13.2 des Anstellungsvertrages halten, und verlangte die Zahlung der gesetzlichen Mindestentschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB.
Mit Schreiben vom 15.12.2008 erklärte die Beklagte dem Kläger, sie mache von dem Wettbewerbsverbot des mit dem Kläger bestehenden Vertrages keinen Gebrauch und verzichte darauf.
Daraufhin hat der Kläger Klage auf Zahlung einer Karenzentschädigung in Höhe von 3.400,03 EUR brutto/Monat ab dem 01.11.2008 für die Dauer von 2 Jahren erhoben.
Er hat die Auffassung vertreten, er habe trotz Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbots einen Anspruch auf die Mindestentschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB, da er das Wettbewerbsverbot für verbindlich gehalten habe. Es widerspreche jedem Gerechtigkeitsgefühl, wenn die Beklagte als Klauselverwenderin den Rechtsfolgen des § 74 Abs. 2 HGB nur deshalb entgehen könne, weil im Vertrag ein ausdrücklicher Hinweis auf § 74 HGB fehle.
Mit Schriftsatz vom 30.04.2009 hat der Kläger vorgetragen, er habe im Rahmen der Vertragsverhandlungen gegenüber seinem damaligen Gesprächspartner bei der Beklagten, Herrn K.-Q. I., ein deutliches Unbehagen wegen der Kundenschutzklausel geäußert. Daraufhin habe Herr I. erklärt, die Klausel sei von den Hausjuristen geprüft. Im Fall der Vertragsbeendigung werde ihm, dem Kläger, die gesetzliche Entschädigung gezahlt. Wenn er den Vertrag nicht unterschreibe, werde es nicht zu einer Einstellung kommen. Die Beklagte hat zu diesem Schriftsatz im erstinstanzlichen Verfahren keine schriftliche Stellungnahme abgegeben.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 20.400,18 EUR brutto nebst Zinsen i...