Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Senkung des tariflichen Weihnachtsgeldes
Leitsatz (amtlich)
1. Tarifvertragliche Regelungen tragen auch während der Laufzeit des Tarifvertrags den immanenten Vorbehalt ihrer auch rückwirkenden Abänderbarkeit durch einen neuen Tarifvertrag in sich. Dies gilt im Grundsatz auch für bereits entstandene und fällig gewordene nicht abgewickelte Ansprüche, die aus einer Tarifnorm folgen ( sog. "wohlerworbene Rechte "). Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien zur rückwirkenden Änderung tarifvertraglicher Regelungen ist lediglich durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen begrenzt; es gelten insoweit die gleichen Regeln, wie sie das Bundesverfassungsgericht für die Rückwirkung von Gesetzen aufgestellt hat. ( wie BAG, Urteil vom 23.11.1994 - 4 AZR 879/93- = BAGE 78, 309 ).
2. Die tarifvertragliche Neuregelung eines Anspruchs vor dessen Fälligkeit ist keine rückwirkende Änderung. Sie ist daher keinen Einschränkungen unterworfen ( vgl. BAG, Urt. vom 14.11.2001 - 10 AZR 698/00- = EzA § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 16).
3. Kurze Inhaltsangabe: Nach dem MTV Nr. 7 für das Kabinenpersonal der Beklagten, der erstmals zum 31.12.2003 kündbar war, erhielten die Arbeitnehmer ein 13. Gehalt, das zu 50 % als Urlaubsgeld auf der Basis des im Mai gültigen Vergütungstarifvertrags mit dem Maigehalt und zu 50% als Weihnachtsgeld auf der Basis des im November gültigen Vergütungstarifvertrags mit dem Novembergehalt ausgezahlt wurde. Die für November 2001 vorgesehene Zahlung des Weihnachtsgeldes (Fälligkeitstermin für das Novembergehalt: 30.11.) unterblieb im Hinblick auf einen zwischen den Tarifvertragsparteien abgeschlossenen, am 01.11.2001 unterzeichneten Tarifvertrag " Sanierung Kabine", der die Regelung enthielt, dass ( u.a. ) im November 2001 das Weihnachtsgeld nicht ausgezahlt wird und insoweit kein Anspruch besteht. Die Klägerin hält dies nicht für rechtens und hat entsprechende Zahlungsklage erhoben. Das LAG hat die Klage abgewiesen.
Normenkette
TVG § 1 Rückwirkung MTV Nr. 7 für das Kabinenpersonal der LTU v. 11.09.2000; TV „Sanierung Kabine” LTU vom 01.11.2001
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 06.09.2002; Aktenzeichen 12 Ca 4519/02) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom06.09.2002 – 12 Ca 4519/02 – abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Gegenstand des Rechtsstreits ist ein möglicher Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung der anteiligen 2. Rate eines tariflichen 13. Monatsgehalts (Weihnachtsgeld) für das Jahr 2001.
Die Klägerin ist bei der Beklagten, einer Fluggesellschaft, seit dem 01.03.1985 als Purserin beschäftigt. Das monatliche Bruttogrundgehalt betrug im Jahre 2001 4.629,55 DM (2.367,05 EUR). Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft Verweisung im Arbeitsvertrag die bei der Beklagten verwendeten (Haus-) Tarifverträge für das Kabinenpersonal Anwendung.
Der somit anwendbare (s. übereinstimmende Erklärung der Parteien in der Sitzung des Arbeitsgerichts vom 06.09.2002) Manteltarifvertrag Nr. 7 für das Kabinenpersonal der Beklagten (Bl. 107 – 136 d.A.), nach § 58 ebd. in Kraft ab 11.09.2000 und erstmals kündbar zum 31.12.2003, regelt in § 34 das 13. Monatsgehalt. Die Regelung lautet wie folgt:
„§ 34
Dreizehntes Monatsgehalt
(Urlaubsgeld/Weihnachtsgeld)
(1) Der Arbeitgeber gewährt den Arbeitnehmern ein dreizehntes Gehalt auf der Basis der Grundgehälter nach dem jeweils gültigen Vergü tungstarifvertrag. Die Auszahlung erfolgt zu 50 % als Urlaubsgeld auf der Basis des im Mai gültigen Vergütungstarifvertrages mit dem Mai gehalt und zu 50 % als Weihnachtsgeld auf der Basis des im Novem ber gültigen Vergütungstarifvertrages mit dem Novembergehalt.
(2) Arbeitnehmer, die im Laufe eines Kalenderjahres eintreten oder aus scheiden, erhalten für jeden vollen Kalendermonat vom Arbeitgeber 1/12 und für jeden darüber hinausgehenden Kalendertag 1/360 der Bezüge nach Abs. 1
(3) Für Zeiten des Wehr-, Zivildienstes und Erziehungsurlaubes sind die Bezüge der Arbeitnehmer/innen des Kabinenpersonals nach Absatz 1 für jeden vollen Abwesenheitsmonat um 1/12 zu kürzen.”
Das Urlaubsgeld erhielt die Klägerin im Mai 2001 ausgezahlt. Die für November 2001 vorgesehene Zahlung von 50 % als Weihnachtsgeld unterblieb im Hinblick auf einen zwischen den Tarifvertragsparteien abgeschlossenen, am 01.11.2001 unterzeichneten Tarifvertrag „Sanierung Kabine” (Bl. 148 – 157 d.A.). Dieser Sanierungs-Tarifvertrag enthält unter lit. hh. folgende Regelung:
„hh. § 34 Dreizehntes Monatsgehalt lautet künftig wie folgt:
(1) |
unverändert; |
(2) |
unverändert; |
(3) |
Im November 2002 wird das Weihnachtsgeld gemäß Ziffer (1) und im Mai 2002 und 2003 wird das Urlaubsgeld – bisher mit dem Maigehalt ausbezahlt – nicht gezahlt. Insoweit besteht kein Anspruch.” |
Die Klägerin machte den Anspruch auf das anteilige 13. Gehalt ...