Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung nach wirksamen Widerspruch gegen einen Betriebsübergang
Leitsatz (redaktionell)
Beruft sich der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess auf eine unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungspflicht des Arbeitgebers, muss er einen vertraglichen Anspruch auf einen entsprechenden Einsatz sowie einen bestimmenden Einfluss des Arbeitgeberunternehmens auf die Konzerngesellschaften vortragen sowie konkrete Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten.
Normenkette
KSchG § 1; BGB § 613a; BetrVG §§ 102, 21b
Verfahrensgang
ArbG Solingen (Urteil vom 05.05.2010; Aktenzeichen 3 Ca 78/09 lev) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 05.05.2010 – 3 Ca 78/09 lev – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung, die Weiterbeschäftigung des Klägers und hilfsweise über die Zahlung einer Sozialplanabfindung.
Der am 29.06.1948 geborene Kläger wurde am 01.04.1962 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (früher B.-H. AG) eingestellt und war zuletzt bei der Beklagten im Werk M. in der Produktionsentwicklung, Papieremulsion, im Geschäftsbereich Consumer Imaging (CI) zu einem Bruttomonatsgehalt von EUR 5140,74 tätig.
Im Arbeitsvertrag des Klägers vom 21.12.1972 heißt es:
„…
B.-H. behält sich vor, dem Mitarbeiter innerhalb des Gesamtunternehmens und der mit B.-H. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen eine andere gleichwertige Tätigkeit zu übertragen.”
Die Beklagte schloss am 17.01.1995 mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung Sozialplan (GBV) ab, die Verfahren und Leistungen aus Anlass von betriebsbedingten personellen Maßnahmen regelte, von 1998 bis 2003 mehrere Ergänzungen erfuhr und auf die bei Betriebsänderungen iSd. §§111 ff. BetrVG wiederholt verwiesen wurde. Auszugsweise lautet diese GBV:
„I.
Geltungsbereich
1.
Die Regelungen dieser Gesamtbetriebsvereinbarung gelten für alle Arbeitnehmer/innen, die in einem unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnis mit der B.-H. AG stehen und die von betriebsbedingten personellen Maßnahmen betroffen sind.
5.
Lehnt ein Arbeitnehmer einen ihm angebotenen und in den wesentlichen Arbeitsbedingungen gleichwertigen und zumutbaren Arbeitsplatz ohne stichhaltige Begründung ab, so entfällt eine Abfindungszahlung nach Ziffer V.
III.
Versetzungen und Übernahmen
5.
Kein Arbeitnehmer ist verpflichtet, einen Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb der B.-H. AG anzunehmen, wenn durch die Übernahme unzumutbare Nachteile (§112 Abs.5 BetrVG) im Hinblick auf Arbeitsbedingungen oder Effektivverdienst eintreten.
6.
Erfolgt innerhalb von 18 Monaten nach Arbeitsaufnahme am neuen Arbeitsplatz eine Kündigung aus Gründen, die der Arbeitnehmer nicht zu vertreten hat, so erhält der Mitarbeiter die Abfindung nach ZifferV, berechnet nach den maßgeblichen Daten zum Zeitpunkt des Ausscheidens, jedoch unter Anrechnung einer etwa gezahlten Teilabfindung nach ZifferIII.3.
Dasselbe gilt, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb von sechs Monaten tatsächlicher Arbeit am neuen Arbeitsplatz ausscheiden will, weil er der berechtigten Auffassung ist, dass er den Anforderungen des Arbeitsplatzes auf Dauer nicht gerecht wird, oder der Arbeitsplatz aus anderen Gründen für ihn auf Dauer nicht zumutbar ist (§112 Abs.5 BetrVG).”
Auf den anlässlich einer Betriebsänderung im Dezember 2001 abgeschlossenen „Transfer-Sozialplan” (TSP) wurde bei späteren Betriebsänderungen ebenfalls wiederholt zurückgegriffen. Der TSP lautet, soweit vorliegend von Belang:
„3.
Wirtschaftlicher Nachteilsausgleich
(I)
Die unterzeichnenden Betriebsparteien vereinbaren, dass zum Ausgleich bzw. zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile infolge der Betriebsänderung gemäß vorgenannten Interessenausgleich die Gesamtbetriebsvereinbarung Sozialplan vom 17.01.1995 (einschl. Änderung v. 26.10.98) angewendet wird, soweit in diesem Transfer-Sozialplan nichts Abweichendes vereinbart wird.
(II)
Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt der arbeitgeberseitig veranlassten Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses das 55.Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erhalten eine Abfindung gem. der vorgenannten GBV Sozialplan. Der betriebsbedingten Kündigung steht der vom Arbeitgeber veranlasste Aufhebungsvertrag gleich.
Berechnungsgrundlage für die Ermittlung der Abfindung ist der vorletzte Kalendermonat vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Abfindung wird spätestens im Kalendermonat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig.
(III)
Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses in Folge der arbeitgeberseitigen, betriebsbedingten Kündigung das 55.Lebensjahr vollendet haben, erhalten zum Ausgleich bzw. der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile die „Frühruhestands-Regelung” in der im Unternehmen jeweils geltenden Form.”
Die B. H. AG war an unterschiedlichen Standorten in Deutschland in den Geschäftsbereichen u.a. Co...