Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsvertraglicher Anspruch eines Altenpflegers auf Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie i.R.e. Tarifvertrags
Leitsatz (amtlich)
Zur Inbezugnahme des - Tarifvertrag über Sonderzahlungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise - für den Öffentlichen Dienst Bund/Kommunen vom 22.04.2023 durch einen Formulararbeitsvertrag, der eine dynamische Bezugnahmeklausel auf die Eingruppierungs- und Vergütungsregeln des BAT enthält - ergänzende Vertragsauslegung.
Normenkette
BGB § 305 Abs. 1, § 305c Abs. 2; TV Inflationsausgleich § 2 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Oberhausen (Entscheidung vom 22.02.2024; Aktenzeichen 2 Ca 1038/23) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 22.02.2024 - Az.: 2 Ca 1038/23 - abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.000,00 € als steuer- und sozialversicherungsfreie Inflationsausgleichsprämie nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.780,00 € seit dem 01.02.2024 und aus weiteren 220,00 € seit dem 01.03.2024 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie.
Die Klägerin ist seit dem 01.06.1995 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin - der H. GbR - als Altenpflegerin beschäftigt. Nach Maßgabe eines schriftlichen, undatierten Arbeitsvertrags wurde die Klägerin "ab 22.11.1995 unbefristet" und auf Teilzeitbasis (19,25 Wochenstunden) eingestellt. Im Arbeitsvertrag ist weiter Folgendes geregelt:
"§ 2 Vergütung
Die Mitarbeiterin erhält ab 01.04.1996 eine monatliche Vergütung der Gruppe: Kr I, Stufe 8
Mit dieser Vergütung sind alle weitergehenden Ansprüche aus der vereinbarten Tätigkeit abgegolten. Des Weiteren gelten die im September 1995 in Kraft getretenen Zusätze der Betriebsvereinbarung. …
§ 7 Sonstige betriebliche/gesetzliche Regelungen
Es gelten alle betrieblichen Regelungen, sofern in diesem Arbeitsvertrag keine andere Vereinbarung getroffen ist sowie die Bestimmungen des allgemeinen Arbeitsrechts. …
§ 10 Sonderzahlung
Der Arbeitgeber zahlt im Monat November eine einmalige Sonderzahlung auf freiwilliger Basis. Über die Gewährung dieser Sonderzahlung wird jährlich neu entschieden. Aus der Gewährung von Sonderzahlung für mehrere fortlaufende Jahre entsteht kein Rechtsanspruch für den Arbeitnehmer. Sollte der Arbeitnehmer bis zum 31.03. des Folgejahres aus dem Beschäftigungsverhältnis ausscheiden, so hat er dem Arbeitgeber die gezahlte Sonderzahlung in voller Höhe zurückzuzahlen. …
§ 11 sonstige Vereinbarungen
Der Mitarbeiter bestätigt, die Betriebsvereinbarung vom 01.07.1995 erhalten zu haben."
In der im September 1995 mit Rückwirkung zum 01.07.1995 geschlossenen Betriebsvereinbarung, wegen dessen weiteren Inhalts auf Blatt 64 ff. der Akte erster Instanz verwiesen wird, heißt es unter anderem wie folgt:
"§ 2 Lohn- und Vergütungsrichtlinien
1....
2. Für die Arbeiter/-innen nach § 1 dieser Betriebsvereinbarung gelten analog die für die Arbeiter/-innen des Bundes und der Länder vereinbarten Lohntarifvertrages des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter vom 31. Januar 1962.
3....
4. Änderungen beziehungsweise Ergänzungen der Bestimmungen der Absätze 1, 2 und 3 treten zu dem Zeitpunkt in Kraft, in denen die Änderungen beziehungsweise Ergänzungen für Angestellte, Arbeiter/-innen und Auszubildende des Bundes und der Länder wirksam werden."
§ 3 der zwischenzeitlich gekündigten Betriebsvereinbarung sah "Sonderregelungen" vor, unter anderem zur Zahlung von Krankenbezügen, von Zuwendungen bei Heirat, Geburten, dem Ableben und bei Jubiläen, zur Zahlung einer Weihnachtszuwendung und von Urlaubsgeld sowie Zeitzuschlägen. In einem Änderungsvertrag vom 27.02.2007 vereinbarten die Klägerin und die H. GmbH eine Aufstockung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit der Klägerin auf 38,5 Stunden. Unter "§ 2 Vergütung" ist bestimmt:
§ 2 Vergütung
"Frau R. erhält ab dem 01.03.2007 eine monatliche Vergütung von:
2.283,04 Euro / Brutto.
Mit dieser Vergütung sind alle weitergehenden Ansprüche aus der vereinbarten Tätigkeit abgegolten.
Alle weiteren Vertragsbestandteile des Arbeitsvertrages vorn 13. Juni 1995 bleiben unverändert bestehen."
Nach der Ablösung der Vergütungsordnung zum BAT durch die Entgeltordnung zum TVöD stritten die Klägerin und die H. GmbH im Jahre 2019 darüber, ob die Klägerin in Auslegung der arbeitsvertraglichen Bestimmungen Anspruch auf Zahlung der sich erhöhenden Tabellenentgelte nach dem TVöD hatte. In Ansehung entsprechender Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 11.04.2018 in Parallelverfahren (Az. u.a. zu den Aktenzeichen 4 AZR 119/17, 4 AZR 265/17 und 4 AZR 311/17) schlossen die Parteien am 16.07.2019 beim Arbeitsgericht Oberhausen zum Aktenzeichen 2 Ca 670/19 einen Vergleich, dessen Ziffer 4. lautet:
"Die Parteien sind sich einig, dass der Klägerin ab dem 01.07.2019 eine Vergütung nach der Entgeltgr...