Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilweise unberechtigte und beharrliche Arbeitsverweigerung eines Arbeitnehmers als Grund für eine fristlose oder ordentliche verhaltensbedingte Kündigung
Leitsatz (amtlich)
1. Auch die teilweise unberechtigte und beharrliche Arbeitsverweigerung - hier an einer von vier zu bedienenden Maschinen - ist an sich ein Grund für eine fristlose als auch für eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung. Die Interessenabwägung führte im konkreten Fall zur Unwirksamkeit der fristlosen und zur Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung.
2. Verweigert der Kläger unberechtigt einen Teil der Arbeitsleistung - hier an einer von vier zu bedienenden Maschinen -, steht ihm kein Anspruch auf Annahmeverzug zu. Es fehlt am erforderlichen Leistungswillen bezogen auf die durch das Direktionsrecht näher bestimmte Tätigkeit. Gemäß § 266 BGB ist der Kläger weder zu einer Teilleistung berechtigt, noch muss der Arbeitgeber sich darauf einlassen. Der Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung entfällt vollständig.
3. Zur Reichweite des Direktionsrechts der Arbeitgeberin, wenn vertraglich eine Tätigkeit gemäß der Entgeltgruppe 9 ERA NRW geschuldet ist und der Kläger nur zu einer solchen Tätigkeit verpflichtet ist.
Normenkette
ArbGG § 46c Abs. 4, § 66 Abs. 1; BGB §§ 266, 297, 615, 626 Abs. 1; BetrVG § 95 Abs. 3, § 102; GewO § 106; KSchG § 1 Abs. 1-2; ZPO §§ 233, 256 Abs. 1, §§ 286, 524 Abs. 1-2; ERA in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens; GewO § 106 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Wuppertal (Entscheidung vom 20.07.2023; Aktenzeichen 6 Ca 325/23) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 20.07.2023 - 6 Ca 325/23 - wird als unzulässig verworfen.
II. Die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 20.07.2023 - 6 Ca 325/23 - wird zurückgewiesen.
III. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 20.07.2023 - 6 Ca 325/23 - teilweise wie folgt abgeändert:
- Die Kündigungsschutzklage des Klägers wird mit dem Antrag zu 1. betreffend die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.01.2023 abgewiesen.
- Die Klage wird mit dem zu 2. zugesprochenen Zahlungsantrag abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
IV. Die gerichtlichen Kosten erster Instanz werden dem Kläger zu 72 % und der Beklagten zu 28 % auferlegt. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 77 % und die Beklagte zu 23 %.
V. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen ausgenommen das Unterliegen des Klägers mit seiner Berufung (Tenor zu I.).
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, Anspruch auf Annahmeverzugslohn sowie über die Verpflichtung des Klägers, eine bestimmte Maschine zu bedienen.
Der am 11.04.1973, geschiedene und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit dem 01.07.2000 bis zum 31.12.2000 zunächst befristet und ab dem 01.01.2001 unbefristet bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Die Beklagte war ein Unternehmen der V.-Gruppe und beschäftigte ca. 77 Arbeitnehmer. Sie führte Zink-Druckguss-, Zerspanungstechnik sowie Konstruktions-, Entwicklungs- und Prüfverfahren aus. Es wurde in einem Schichtsystem gearbeitet, das Früh-, Spät-, und Nachtschicht vorsah. Bei der Beklagten bestand ein Betriebsrat. Grundlage der unbefristeten Beschäftigung des Klägers war der Arbeitsvertrag vom 21.12.2020. In diesem hieß es u.a.:
"1. Der/die Mitarbeiter/in tritt am 01. 01.2001 als Maschinenbediener in die Firma ein.
2. Der/die Mitarbeiter/in übernimmt folgende Aufgaben: drehen, bohren, fräsen, messen und prüfen der Teile
Die Firma behält sich vor, dem/r Mitarbeiter/in eine andere angemessene Tätigkeit zuzuweisen.
...
6. Die Vergütung kann sowohl im Zeitlohn als auch im Leistungslohn (Akkord / Prämie) erfolgen.
Als Zeitlohn erhält er/sie ein Monatsentgelt von DM 2799,00 brutto.
Entsprechend der Tätigkeit bestimmt sich das Monatsentgelt nach der Lohngruppe 3 des Lohntarifvertrags für die Eisen-. Metall- und Elektro-Industrie NRW.
Bei Leistungslohn erfolgt die Bezahlung nach der jeweils geltenden tariflichen und betrieblichen Regelung.
Mit der Zuweisung einer anderen Tätigkeit wird die dafür geltende tarifliche und betriebliche Entgeltregelung angewendet. Das gleiche gilt für etwaige Unterbrechungen der Arbeit im Leistungslohn. Übertarifliche Leistungen können auf Tarifentgelterhöhungen angerechnet werden. Auch Bezüge nach dem Tarifvertrag zur Leistungsbeurteilung von Zeitlöhnern können mit freiwilligen Zulagen verrechnet werden.
...
12. Für das Arbeitsverhältnis finden im übrigen die Tarifverträge für die Eisen-. Metall- und Elektroindustrie NRW sowie die jeweils gültigen Betriebsvereinbarungen Anwendung.
..."
Der Kläger wurde zunächst in der Abteilung Mechanische Bearbeitung an den Bohrmaschinen als Maschinenbediener eingesetzt und wurde - nach anfänglicher Eingruppierung in Lohngruppe 3 - zuletzt in dieser Tätigkeit in Lohngrupp...