Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Zuschlagsregelung für Nachtarbeit kein Verstoß gegen Grundsatz der Gleichbehandlung. Zulässige Differenzierung zwischen Nachtarbeit innerhalb und außerhalb des Schichtsystems. Ausübung des Gestaltungsermessens der Tarifvertragsparteien durch Bildung von Gruppen bei der Nachtarbeit
Leitsatz (amtlich)
Weitgehende Paralelentscheidung zur Sache 13 Sa 291/20, die vollständig dokumentiert ist.
Normenkette
ArbZG § 6; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Mönchengladbach (Entscheidung vom 19.02.2020; Aktenzeichen 6 Ca 2361/19) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 19.02.2020 - 6 Ca 2361/19 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe tariflicher Nachtarbeitszuschläge für geleistete Nachtschichtarbeit.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem August 2001 als Schichtarbeiter gegen einen Bruttostundenlohn von zuletzt 18,82 € tätig. Die Beklagte arbeitet im kontinuierlichen Drei-Schicht-Betrieb.
Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie, Essigindustrie, Senfindustrie für das Land Nordrhein-Westfalen vom 08.12.2004 (MTV) sowie der Entgelttarifvertrag für die in der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie, Essigindustrie, Senfindustrie im Lande Nordrhein-Westfalen tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vom 14.05.2018 (ETV) Anwendung.
Zur Vergütung für die Mehr-, Schicht-, Wechselschicht-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit heißt es im MTV:
§ 5 Mehrarbeit, Nacht-, Sonntags- und Feierarbeit
1. Begriffsbestimmung
[...]
b) Mitbestimmung des Betriebsrates und Ausdehnung der Arbeitszeit
Mehrarbeit ist nach Möglichkeit zu vermeiden. [...]
c) Nachtarbeit ist die in der Zeit von 21.00 Uhr bis 06.00 Uhr geleistete Arbeit, soweit es sich nicht um Schichtarbeit handelt.
[...]
2. Zuschläge
Für Mehrarbeit, Nachtarbeit, Schichtarbeit in der Nacht, Sonntags- und Feiertagsarbeit sind folgende Zuschläge zu zahlen:
a) Für Mehrarbeit 25 %,
ab der 3. Mehrarbeitsstunde am Tage 30 %
[...]
b ) für Nachtarbeit 50 %
c) für Schichtarbeit von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr 25 %.
[...]
3. Berechnung der Zuschläge [
[...]
b) Beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge ist nur der jeweils höhere zu zahlen.
Hiervon ausgenommen ist der Zuschlag für Schichtarbeit (§ 5 Abs. 2 c). Dieser Zuschlag ist auch bei Zusammentreffen mit anderen Zuschlägen zu zahlen.
Gemäß § 3 Abs. 3 Ziffer 6 MTV haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine bezahlte Essenspause von 30 Minuten innerhalb ihrer Schicht. Gemäß § 4 Ziffer 2 MTV erhalten Arbeitnehmer, die ständig im 3-Schicht-Wechsel arbeiten, für je 25 geleistete Nachtschichten in diesem System eine Freischicht und für Arbeit im 2-Schicht-Wechsel für je 55 geleistete Spätschichten eine Freischicht.
Nach vergeblicher außergerichtlicher Geltendmachung hat der Kläger mit seiner am 18.10.2019 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 22.10.2019 zugestellten Klage nebst Klageerweiterungen vom 19.11.2019 und 17.02.2020 auf der Grundlage der Entscheidung des Zehnten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 21.03.2018 (- 10 AZR 34/17 -) für die Zeiträume November 2018 bis November 2019 für die von ihm geleisteten und von der Beklagten mit einem Zuschlag von 25 % vergütete Nachtschichtarbeit einen Zuschlag in Höhe von 50 % abzüglich der geleisteten Beträge in unstreitiger Höhe geltend gemacht. Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf die Ausführungen auf Seite 3 f. der Klageschrift sowie Seite 1 f. der Klageerweiterung verwiesen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe nach Art. 3 GG als Schichtarbeiter einen Anspruch auf Anpassung seiner Nachtzuschläge nach oben auf die Höhe der Zuschläge für sonstige Nachtarbeit, da der MTV gleichheitswidrige Regelungen enthalte. Es sei arbeitswissenschaftlich erwiesen, dass die Gesundheit von Nachtschichtarbeitern nicht in geringerem Maß gefährdet sei als die derjenigen, die außerhalb eines Schichtsystems nur unregelmäßig zur Nachtarbeit herangezogen würden.
Der Kläger hat laut dem erstinstanzlichen Tatbestand beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.634,25 € brutto abzüglich bereits gezahlter 1.817,13 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.10.2019 zu zahlen,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 418,81 € brutto abzüglich bereits geleisteter 209,41 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.11.2019 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, die tarifvertragliche Regelung zu den Nachtzuschlägen sei nicht gleichheitswidrig, sondern von der den Tarifvertragsparteien nach Art. 9 Abs. 3 GG eingeräumten Tarifautonomie und Einschätzungsprärogative gedeckt. Eine Tarifzensur durc...