Entscheidungsstichwort (Thema)
Freistellung nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz NRW
Leitsatz (amtlich)
Abweichend von der Entscheidung des BAG 9 AZR 325/92 vom 07.12.1993 ist der Arbeitnehmer nicht gehindert, einen Lohnfortzahlungsanspruch nach dem ArbWeitBiG NW geltend zu machen, wenn er zuvor eine vom Arbeitgeber angebotene unbezahlte Freistellung unter Vorbehalt angenommen hat.
Normenkette
AwBiG
Verfahrensgang
ArbG Solingen (Urteil vom 15.03.1996; Aktenzeichen 5 Ca 1186/95) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 15.03.1996 – 5 Ca 1186/95 – abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 431,88 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag ab 13.06.1995 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin Fortzahlung des Arbeitsentgelts für die Teilnahme an einer Seminarveranstaltung der Volkshochschule S. „Rhetorik für Beruf und Alltag” in der Zeit vom 18.04. bis 21.04.1995 nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz NRW zusteht.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 30.01.1995 folgendes mit:
„Zu Ihrem Antrag auf Freistellung zur Teilnahme an der Bildungsveranstaltung Rhetorik für den Beruf und Alltag in der Zeit vom 18.04.1995 bis 21.04.1995 teilen wir mit, daß die Voraussetzungen des Anspruchs nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz nicht erfüllt sind.
Insofern wird sowohl die Freistellung als auch die Entgeltfortzahlung für den beanspruchten Zeitraum abgelehnt.
Sollten Sie dennoch an der Veranstaltung teilnehmen wollen, haben wir gegen eine unbezahlte Freistellung keine Einwände.”
Danach beantragte die Klägerin für die Zeit des Seminars „unbezahlte Freistellung bis zur endgültigen Klärung durch das Arbeitsgericht”.
Die Klägerin, die Mitglied des Betriebsrats der Beklagten und Gewerkschaftsmitglied ist, besuchte die 32 Unterrichtsstunden umfassende Bildungsveranstaltung „Rhetorik für Beruf und Alltag” hinsichtlich deren Themenkatalogs auf die Darstellung im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen wird.
Die Klägerin hat behauptet, bei einer Vielzahl von der Beklagten eingesetzten Aushilfen habe sie die Aufgabe gehabt, diese in ihre Arbeit einzuweisen. Darüber hinaus sei die Bildungsveranstaltung auch für ihre Tätigkeit als Betriebsratsmitglied und als Gewerkschaftsmitglied erforderlich. Sie sei in diesen Eigenschaften darauf angewiesen, allein durch sprachliche Argumentationen Kolleginnen und Kollegen zu informieren und in eine bestimmte Richtung zu überzeugen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von DM 431,88 brutto zuzüglich 4 % Zinsen vom Nettobetrag ab Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Bildungsveranstaltung diene nicht der politischen oder beruflichen Weiterbildung der Klägerin.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Begründung seiner Entscheidung wird Bezug genommen.
Die Berufung der Klägerin hält das erstinstanzliche Urteil für fehlsam. Das Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen verlange keine ausdrückliche Freistellung durch den Arbeitgeber. Nach § 7 habe der Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitnehmerweiterbildung das Arbeitsentgelt fortzuzahlen. Das Gesetz spreche nur davon, daß der Arbeitgeber die Freistellung ablehnen dürfe, wenn zwingende betriebliche oder dienstliche Belange entgegenstünden. Zu Unrecht fordere daher die Vorinstanz eine ausdrückliche Freistellungserklärung des Arbeitgebers.
Das Bundesarbeitsgericht habe einen Freistellungsanspruch und damit den Lohnfortzahlungsanspruch bejaht, nachdem der Arbeitgeber die Erklärung abgegeben habe „wir stellen Sie für die Zeit vom … unbezahlt von der Arbeit frei”. Es könne vorliegend mithin nicht die Vereinbarung einer unbezahlten Freistellung angenommen werden. Das Seminar erfülle im übrigen die Voraussetzungen nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz. Es habe der beruflichen Weiterbildung gedient. Dabei sei zu beachten, daß es in erster Linie nicht auf eine Orientierung an den betrieblichen Verhältnissen ankomme, sondern darauf, ob das Seminar der beruflichen Weiterentwicklung förderlich sei, wobei es in erster Linie auf die berufliche Persönlichkeitsentwicklung des Arbeitnehmers ankomme.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 15.03.1996 – Az.: 5 Ca 1186/95 – abzuändern und gem. dem erstinstanzlichen Schlußantrag der Klägerin zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den Anspruch der Klägerin für unbegründet und verweist auf den Wortlaut ihrer Erklärung vom 30.01.1995, mit der sie sowohl die Freistellung als auch die Entgeltfortzahlung für den beanspruchten Zeitraum abgelehnt habe und lediglich eine unbezahlte Freistellung angeboten habe, die die Klägerin angenommen habe. Die Beklagte si...