Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine tarifliche Kürzung der Arbeitszeit bei Teilzeitauszubildenden. Besorgnis der Nichterfüllung bei Klage auf zukünftige Leistung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelungen zur Höhe der Ausbildungsvergütung in § 8 TVAöD Besonderer Teil gelten auch für Teilzeitauszubildende. Eine Kürzung proportional zur Reduzierung der Arbeitszeit ist tariflich nicht vorgesehen.
2. Es kann dahinstehen, ob der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu folgen ist, der Anspruch auf Abrechnung nach § 108 GewO sei vor der Zahlung nicht erfolgreich klagbar (so BAG 13.10.2015 - 1 AZR 130/14 -; BAG 27.01.2016 - 5 AZR 277/14 -; a. A. Hamacher Antragslexikon Arbeitsrecht 3. Aufl. Stichwort Abrechnung RN 7). Denn jedenfalls handelt es sich um eine Klage auf zukünftige Leistung im Sinne des § 259 ZPO, deren Erfolg voraussetzt, dass der Kläger eine Besorgnis der Nichterfüllung darlegt (hier verneint).
Normenkette
BBiG § 8; TVAöD § 8; GewO § 108; BBiG § 17 Abs. 3, § 25; ZPO § 259
Verfahrensgang
ArbG Duisburg (Entscheidung vom 19.03.2019; Aktenzeichen 2 Ca 1293/18) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 19.03.2019 - 2 Ca 1293/18 - teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.390,56 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 211,91 € seit dem 01.12.2017, 01.01.2018, 01.02.2018, 01.03.2018, 01.04.2018, 01.05.2018, 01.06.2018, 01.07.2018, 01.08.2018, 01.09.2018, 01.10.2018, 01.11.2018, 01.12.2018, 01.01.2019, 01.02.2019 und dem 01.03.2019 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 61 % und die Beklagte zu 39 % zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wesentlichen über Vergütungsdifferenzen für die Monate November 2017 bis einschließlich Februar 2019.
Die 1984 geborene Klägerin absolviert seit dem 01.09.2017 bei der beklagten Stadt eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten. Sie ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di, die Beklagte Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes. Grundlage des Ausbildungsverhältnisses bildet der Berufsausbildungsvertrag vom 17.05.2017. In diesem heißt es:
"§ 3
Grundsätzliches über das Rechtsverhältnis
Das Berufsausbildungsverhältnis richtet sich nach dem Berufsbildungsgesetz vom 23. März 2005 in seiner jeweiligen Fassung sowie nach den Vorschriften des Tarifvertrages für Auszubildende des öffentlichen Dienstes (TVAöD) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung.
§ 5
Dauer der regelmäßigen Ausbildungszeit
Die regelmäßige wöchentliche Ausbildungszeit beträgt während der Ausbildung vom 01.09.2017 bis 31.08.2020 einschließlich des Berufsschulunterrichts 30 Stunden wöchentlich.
Die Gesamtausbildungszeit von 3 Jahren verlängert sich durch diese Vereinbarung nicht. Der zeitliche Umfang der Anwesenheitspflicht in der Berufsschule wird nicht herabgesetzt.
§ 6
Zahlung und Höhe der Ausbildungsvergütung
Frau L. erhält eine monatliche Ausbildungsvergütung nach Maßgabe des jeweils geltenden Ausbildungsvergütungstarifvertrages. Die Ausbildungsvergütung beträgt zurzeit:
706,35 EUR im ersten Ausbildungsjahr
755,77 EUR im zweiten Ausbildungsjahr
780,02 EUR im dritten Ausbildungsjahr"
Die Reduzierung der Arbeitszeit vereinbarten die Parteien um der Klägerin trotz der Notwendigkeit der Betreuung eines Kindes organisatorisch die Ausbildung zu ermöglichen. Ihre Ausbildung findet an vier Wochentagen im Betrieb statt. Am fünften Tag wird sie im Studieninstitut unterrichtet. Den Berufsschulunterricht leistet sie im Blockmodell in drei Monaten pro Ausbildungsjahr ab. Während der Schulzeit beträgt die Unterrichtszeit 28 Wochenstunden für alle Auszubildenden, sei es in Teilzeit oder in Vollzeit.
Der Tarifvertrag für Auszubildende des öffentlichen Dienstes (TVAöD) Besonderer Teil enthält u. a. folgende Regelungen:
"§ 7 Wöchentliche und tägliche Ausbildungszeit
(1) Die regelmäßige durchschnittliche wöchentliche Ausbildungszeit und die tägliche Ausbildungszeit der Auszubildenden, die nicht unter das Jugendarbeitsschutzgesetz fallen, richten sich nach den für die Beschäftigten des Ausbildenden maßgebenden Vorschriften über die Arbeitszeit ...
§ 8 Ausbildungsentgelt
(1) Das monatliche Ausbildungsentgelt beträgt:
im ersten Ausbildungsjahr 918,26 Euro
[Stand bei Beginn des Ausbildungsverhältnisses der Parteien]
(2) Das Ausbildungsentgelt ist zu demselben Zeitpunkt fällig wie das den Beschäftigten des Ausbildenden gezahlte Entgelt.
Nach vergeblicher vorgerichtlicher Geltendmachung mit Schreiben vom 24.04.2018 hat die Klägerin Klage auf Zahlung der Differenz zur im Tarifvertrag geregelten Vergütung für die Monate November 2017 bis Juni 2018 erhoben und diese mit mehreren Klageerweiterungen auf den Zeitraum bis Februar 2019 erstreckt.
...