Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang des Fragerechts des öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers gegenüber einem Stellenbewerber
Leitsatz (amtlich)
1. Aus Anlass der Bewerbung eines Arbeitnehmers/einer Arbeitnehmerin auf eine vom öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle braucht eine Vorstrafe nicht nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 BZRG offenbart zu werden, wenn sie nicht gemäß § 32 Abs. 2 BZRG in ein polizeiliches Führungszeugnis nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BZRG einzutragen ist (im Anschluss an BAG 21.02.1991 – 2 AZR 449/90 – AP Nr. 35 zu § 123 BGB; offengelassen von BAG 27.07.2005 – 7 AZR 508/04 – EzA Art. 33 GG Nr. 29).
2. Dementsprechend braucht aber auch eine Frage nach einer derartigen Vorstrafe nicht richtig beantwortet zu werden bzw., wenn sie richtig beantwortet wird, darf der Arbeitgeber die nun offenbarte Vorstrafe nicht zu Ungunsten des Bewerbers berücksichtigen. Eine Ausnahme hiervon wird allenfalls dann zu machen sein, wenn die Vorstrafe auf einem Gebiet liegt, das mit der laut Arbeitsvertrag vom Arbeitnehmer zu verrichtenden Tätigkeit unmittelbar zusammenhängt (vgl. früher BAG 07.02.1964 – 1 AZR 251/63 – BAG, 261, 263; vgl. auch schon BAG 05.12.1957 – 1 AZR 594/56 – AP Nr. 2 zu § 123 BGB).
Normenkette
EMRK Art. 6 Abs. 2; GG Art. 33 Abs. 2; BZRG §§ 30, 32, 53
Verfahrensgang
ArbG Duisburg (Urteil vom 18.10.2007; Aktenzeichen 2 Ca 1513/07) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 18.10.2007 – 2 Ca 1513/07 – wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 18.10.2007 – 2 Ca 1513/07 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass allein die rechtskräftige Verurteilung der Klägerin wegen Bafög-Betruges in zwei Fällen – Strafbefehl des Amtsgerichts Essen vom 30.10.2006, Akz. 47 Cs 302 Js 307/04 – 749/06 – keinen Zweifel an ihrer charakterlichen Eignung begründet, welche den Beklagten zur Nichteinstellung der Klägerin in den öffentlichen Schuldienst berechtigt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.
Die Revision wird nur für den Beklagten zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten hauptsächlich über einen Anspruch der Klägerin gegen das beklagte Land auf Abschluss eines Arbeitsvertrages.
Die Klägerin bewarb sich beim beklagten Land auf die von diesem ausgeschriebene und im Klageantrag näher bezeichnete Stelle als Lehrerin. Nachdem sie das Auswahlverfahren durchlaufen hatte, übermittelte die Bezirksregierung ihr ein Schreiben vom 05.06.2007. Dort hieß es u. a., dass die Einstellung der Klägerin zum 06.08.2007 auf der ausgeschriebenen Stelle „in Aussicht genommen” werde, und zwar entweder im Beamtenverhältnis, sofern die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen vorlägen, oder anderenfalls im Angestelltenverhältnis, voraussichtlich mit der Entgeltgruppe 13 TV-L. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 05.06.2007 Bezug genommen.
Dem vorgenannten Schreiben war eine „Annahmeerklärung” beigefügt, die die Klägerin mit ihrer Unterschrift versehen zurücksenden sollte. Hierin heißt es u. a.:
„Ich nehme die in Aussicht genommene Einstellung ohne Vorbehalt an.
Ich versichere, dass ich mich nicht bereits in einem Dauerbeschäftigungs- oder Beamtenverhältnis im öffentlichen Schuldienst oder Ersatzschuldienst des Landes NRW oder eines anderen Bundeslandes befinde.
Ich erkläre, dass ich in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebe. Ich versichere, dass ich nicht vorbestraft bin und dass gegen mich kein gerichtliches Strafverfahren und kein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft anhängig ist oder innerhalb der letzten drei Jahre anhängig gewesen ist.
Ich verpflichte mich, den Dienst auf Dauer anzutreten.
Ich versichere, dass ich noch keine andere Einstellung in den öffentlichen Schuldienst des Landes NRW zugesagt habe und dass ich an keinen weiteren Verfahren zur Einstellung in den öffentlichen Schuldienst des Landes NRW teilnehmen werde.”
Die Klägerin kreuzte das hierfür vorgesehene, auf gleicher Höhe mit der ersten Zeile platzierte Feld an und machte am zweiten Absatz einen „Sternchen-Zusatz”. In diesem verwies sie am Ende der Seite der „Annahmeerklärung” auf eine Anlage, die einen Strafbefehl des Amtsgerichts Essen vom 30.10.2006 – 47 Cs 302 Js 30/04 – betraf. Darin war gegen die Klägerin wegen Betruges in zwei Fällen am 05.07.2000 und 02.08.2001 (wahrheitswidrige Erklärungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG –) eine Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 15,00 Euro festgesetzt worden. Einspruch legte die Klägerin gegen diesen Strafbefehl nicht ein.
Mit Schreiben vom 03.07.2007 zog das beklagte Land die der Klägerin mit Schreiben vom 05.06.2007 zum 06.08.2007 in Aussicht gestellte Einstellung unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zurück. Zur Begründung führte es an, aufgrund des Strafbefehls d...