Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige mittelbare Benachteiligung durch Kappungsgrenze in Sozialplan von langzeitig Beschäftigten. Pauschalbetrag zur Ergänzung einer Kappungsgrenze im Sozialplan zum Ausgleich von altersbezogenen Nachteilen. Unsachgemäße Behandlung von Beschäftigten mit hohem Bruttoentgelt
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Kappungsgrenze in einem Sozialplan, die erkennbar den Zweck verfolgt, ein begrenztes Sozialplanvolumen bei sehr unterschiedlichen Beschäftigungszeiten und Bruttoentgelten der von Entlassung betroffenen Mitarbeiter gleichmäßiger und damit aus Sicht der Betriebsparteien gerechter zu verteilen, begründet jedenfalls dann keine unzulässige mittelbare Benachteiligung besonders langjährig Beschäftigter wegen des Alters, wenn als Teilkompensation zu der Abfindungsformel "Bruttomonatsentgelt x Beschäftigungsjahre x 1,0" und der Kappung des daraus folgenden Betrags eine Pauschalzahlung unabhängig vom Bruttoentgelt der jeweiligen Mitarbeiter je Jahr der Betriebszugehörigkeit vorgesehen wird.
2. Eine die Kappungsgrenze ergänzende Pauschalzahlung ist, wenn der Betrag nicht gänzlich unbeachtlich ist, geradezu mustergültig geeignet, Nachteile wegen des Alters hinreichend zu mildern und damit zur Angemessenheit der Sozialplanregelung insgesamt zu führen. Dann noch verbleibende Nachteile Einzelner, die im Wesentlichen durch deren außerordentlich hohes Bruttoentgelt bedingt sind, begründen weder eine unzulässige Altersdiskriminierung noch sonst eine unsachgemäße Ungleichbehandlung, sondern sind nach Sinn und Zweck eines Sozialplans mit begrenztem Verteilungsspielraum hinzunehmen.
Normenkette
BetrVG §§ 75, 112; AGG §§ 1, 3, 7; ZPO § 97 Abs. 1, § 529 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 26.11.2020; Aktenzeichen 2 Ca 2980/20) |
Tenor
I.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 26.11.2020 - Az.: 2 Ca 2980/20 - wird zurückgewiesen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der Abfindung aus einem Sozialplan, den die Insolvenzschuldnerin mit ihrem Betriebsrat aus Anlass der Stilllegung ihres S. Betriebes im Jahr 2019 vereinbart hat.
Die am 03.05.1964 geborene Klägerin war bei der L. Group Germany GmbH (im Folgenden: "Insolvenzschuldnerin") bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 29.09.1993 in einem Arbeitsverhältnis, zuletzt als Head of Sales, beschäftigt. Das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt der Klägerin betrug 11.844,90 €.
Unter dem 29.10.2019 schloss die Insolvenzschuldnerin mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste im Hinblick auf die vollständige schrittweise Stilllegung des Betriebs in S. ab. Die Klägerin ist auf der Namensliste unter Ziffer 20 aufgeführt. Auf den Inhalt des Interessenausgleichs (Anlage zur Berufungsbegründung, Blatt 363 ff. der Akte) wird Bezug genommen.
Sämtliche 41 Arbeitsverhältnisse des S. Betriebes der Insolvenzschuldnerin wurden dementsprechend gekündigt, unter anderem auch das Arbeitsverhältnis der Klägerin ordentlich fristgerecht mit Schreiben vom 30.10.2019 zum 31.05.2020.
Ebenfalls unter dem 29.10.2019 schloss die Insolvenzschuldnerin mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat einen Sozialplan ab, wegen dessen Inhalts im Übrigen auf die Anlage BB1 zur Berufungsbegründung (Blatt 358 ff. der Akte) Bezug genommen wird und der unter § 2 zur Zahlung einer Abfindung folgende Regelungen enthält:
"§ 2 Abfindung
1.Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter, die aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung und/oder einvernehmlichen Aufhebung auf Veranlassung von Kidiliz zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung ausscheiden, erhalten für den Verlust des sozialen Besitzstandes und zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile eine Abfindung.
a) Die jeweilige Grundabfindung berechnet sich grundsätzlich nach folgender Formel:
Bruttomonatsgehalt x Betriebszugehörigkeit x 1,0
b) Die Höhe der Grundabfindung beträgt mindestens 3.000,00 EUR (brutto). Die Höhe der Grundabfindung beträgt jedoch höchstens 35.000,00 EUR (brutto); darüber hinausgehende Beträge werden gekappt (Kappungsgrenze).
c) Arbeitnehmer mit einer Betriebszugehörigkeit von fünf Jahren und mehr erhalten zusätzlich zu der nach Ziffern a) und b) errechneten Grundabfindung einen pauschalen Betrag in Höhe von 1.000 € brutto (unabhängig vom Einkommen) pro Jahr der Betriebszugehörigkeit (gerechnet ab dem ersten Jahr der Betriebszugehörigkeit).
[...]"
Die Beklagte berechnete die der Klägerin zustehende Abfindung gemäß § 2 Ziffer 1 a) und c) unter Berücksichtigung der Kappungsgrenze des § 2 Ziffer 1 b) des Sozialplans mit 62.000,00 € brutto (35.000,00 € nach § 2 Ziff. 1 a), b) sowie 27.000,00 € zusätzlich für 27 Jahre Betriebszugehörigkeit nach § 2 Ziff. 1 c)). Diesen Betrag zahlte sie an die Klägerin aus.
Die Kappungsgrenze des § 2 Ziffer 1 b) des Sozialplans gelangte bei insgesamt vier der 41 von Entlassung betroffenen Beschäftigten zur Anwendung und hatte be...