Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankheitsbedingte Kündigung. Entschädigung. Benachteiligungsverbot. Behinderte
Leitsatz (redaktionell)
Die krankheitsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses stellt keine entschädigungspflichtige Diskriminierung des Gekündigten wegen einer Behinderung dar.
Normenkette
AGG § 15 Abs. 2, § 1
Verfahrensgang
ArbG Essen (Urteil vom 29.10.2009; Aktenzeichen 1 Ca 2542/09) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 29.10.2009 – 1 Ca 2542/09 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung, den der Kläger mit einem Verstoß der Beklagten gegen das Benachteiligungsverbot behinderter Menschen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz – AGG – begründet. Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Tatbestand des am 29.10.2009 verkündeten und dem Kläger am 02.12.2009 zugestellten Urteils des Arbeitsgerichts Essen verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
Mit seiner bei Gericht am 31.12.2009 eingegangenen Berufung, die er mit einem hier am 11.01.2010 eingereichten Schriftsatz begründet und um einen Schriftsatz vom 22.02.2010 ergänzt hat, will der Kläger die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Dieses hat seine Klage, mit der er die Verurteilung der Beklagten, an ihn eine angemessene, in das Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG zu zahlen, abgewiesen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung nach seinen Anträgen aus der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt in ihrer bei Gericht am 11.02.2010 eingegangenen Berufungserwiderung in erster Linie das angefochtene Urteil.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Akte ausdrücklich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A.
Die Berufung des Klägers, gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken bestehen, ist unbegründet. Zu Recht hat die Vorinstanz die Klage abgewiesen. Hieran vermögen die Berufungsangriffe nichts zu ändern.
I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Klageantrag hinreichend bestimmt i. S. von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO i. V. m. § 495 ZPO, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger eine „angemessene Entschädigung” – in seinem Aufforderungsschreiben an die Beklagte vom 11.03.2009 beziffert mit einem Betrag von 30.000,– EUR – begehrt. Der Sache nach stellt der Kläger die Höhe der begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts. Nach § 15 Abs. 2 AGG kann eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt werden. Dem Gericht wird damit hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Steht dem Gericht ein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Entschädigungshöhe zu bzw. hängt die Bestimmung eines Betrages vom billigen Ermessen des Gerichts ab, ist ein unbezifferter Zahlungsantrag zulässig. Der Kläger muss allerdings Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrages heranziehen soll, benennen und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angeben (BAG 22.01.2009 – 8 AZR 906/07 – EzA § 15 AGG Nr. 1; BAG 22.10.2009 – 8 AZR 642/08 – Rz. 10 juris). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat einen Sachverhalt dargelegt, der dem Gericht die Festsetzung der Höhe einer Entschädigung ermöglicht, und Angaben zur Größenordnung dieser Entschädigung gemacht.
II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Wie die Vorinstanz richtig erkannt hat, hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld gemäß § 15 Abs. 2 AGG, der einzig denkbaren Anspruchsgrundlage. Dabei kann offen bleiben, ob bei einer Kündigung, die zudem die Beklagte in dem gerichtlichen Vergleich, den sie zur Erledigung des vom Kläger anhängig gemachten Kündigungsschutzprozesses gleichen Rubrums – 6 Ca 554/09 – geschlossenen hat, zurückgenommen hat, überhaupt ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG in Betracht kommt. Denn die Tatbestandsvoraussetzungen dieses Entschädigungsanspruchs sind im Streitfall nicht erfüllt.
1. Zu Gunsten des Klägers soll unterstellt werden, dass der sachliche Anwendungsbereich des Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG eröffnet ist. Zum einen sind trotz des Wortlauts des § 2 Abs. 4 AGG die Diskriminierungsverbote des AGG einschließlich der im Gesetz vorgesehenen Rechtfertigungen für unterschiedliche Behandlungen bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des Kündigungsschutzgesetzes in der Weise zu beachten, als sie Konkretisierungen des Sozialwidrigkeitsbegriffs darstellen (vgl. näher BAG 06.11.2008 – 2 AZR 523/07 – EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 82; dem folgend BAG 22.10.2009 – 8 AZR 642/08 – Rz. 15 juris). Zum anderen erscheint eine Anwendung des § 15 Abs. 2 AGG in Fällen der Unwirksamkeit eine...