Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdachtskündigung. Kündigung wegen Schlechtleistung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Verdacht einer fahrlässigen Schlechtleistung des Arbeitnehmers rechtfertigt auch dann keine Verdachtskündigung, wenn es um grobe Arbeitsfehler im sicherheitsrelevanten Bereich geht (hier: Montage von Rädern an einem Kraftfahrzeug).
2. Bei Schlechtleistungen oder unzureichender Arbeitsleistung kommt eine außerordentliche Kündigung nur in Ausnahmefällen in Betracht (im Anschluss an BAG, Urteil vom 20.03.1969, EzA Nr. 11 zu § 123 GewO; BAG, Urteil vom 04.07.1991, RzK I 6a Nr. 73). Der Arbeitgeber hat durch eine geeignete Organisation sicherzustellen, dass Arbeitsfehler im sicherheitsrelevanten Bereich rechtzeitig erkannt und als dann auch beseitigt werden.
3. Eine ordentliche Kündigung wegen Schlechtleistung ist in der Regel erst nach Ausspruch einer (vergeblichen) Abmahnung sozial gerechtfertigt. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer fahrlässig einen größeren Schaden verursacht (vgl. BAG, Urteil vom 04.07.1991, RzK I 6a Nr. 73).
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2, § 9 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 14.02.2003; Aktenzeichen 13 Ca 7487/02) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts D. vom14.02.2003 – 13 Ca 7487/02 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung und einen Auflösungsantrag der Beklagten
Der am 21.12.1975 geborene, ledige Kläger ist seit dem 03.02.1997 bei der Beklagten als Kfz-Elektriker zu einer monatlichen Vergütung von zuletzt 2.320,00 EUR brutto beschäftigt. Die Beklagte vertreibt als Mercedes-Benz Vertretung der Daimler Chrysler AG Fahrzeuge und verfügt über einen Kundendienst. In ihrem Betrieb in D. sind ca. 150 Arbeitnehmer tätig. Es besteht ein Betriebsrat.
Die Mitarbeiter der Beklagten werden regelmäßig. zumindest einmal im Quartal – darauf hingewiesen, dass der Festsitz von Radmuttern im Zusammenhang mit Arbeiten an Rädern stets mit ganz besonderer Sorgfalt zu überprüfen ist und bei Fehlern in diesem sicherheitsrelevanten Bereich Kündigungen, insbesondere auch außerordentliche Kündigungen, drohen.
Am 22.07.2002 erhielt der Kläger den Auftrag, an einem Neufahrzeug vom Typ Mercedes Benz ML 270 cdi eine Standheizung einzubauen. Er führte diese Arbeiten am 23.07. und 24.07.2002 durch. Dabei mussten am Fahrzeug das linke Vorder- und Hinterrad ab- und wieder anmontiert werden. Nach dem Einbau der Standheizung unternahm der Kläger eine ca. 8 km lange Probefahrt. Er unterließ es jedoch, auf dem Werkstattbogen die Rubrik „Radbefestigungsschrauben nachgezogen (Monteur)” abzuzeichnen. Das Fahrzeug wurde bis zur Auslieferung im Neuwagenkeller des Betriebs, der lediglich für Mitarbeiter der Beklagten zugänglich ist, aufbewahrt. Zwischendurch wurden noch am 25.07.2002 in der Werkstatt die Typenschilder am Heck des Fahrzeugs entfernt. Nachdem das Fahrzeug am Nachmittag des 01.08.2002 an den Kunden übergeben worden war, meldete sich dieser eine viertel Stunde nach der Abfahrt und teilte mit, dass sich ein Rad gelöst habe. Vor Ort stellte ein Monteur der Beklagten fest, dass am linken Hinterrad des Fahrzeugs zwei der fünf Befestigungsschrauben fehlten und die restlichen drei Schrauben sehr lose waren.
Nach Information über den Vorfall führte die Beklagte am 07.08.2002 eine Befragung von Mitarbeitern durch, bei der auch der Kläger angehört wurde. Dieser versicherte, nach Abschluss der Arbeiten die abgebauten Räder wieder ordnungsgemäß montiert und die Radbolzen mit dem Drehmomentschlüssel entsprechend festgezogen zu haben.
Mit Schreiben vom 15.08.2002 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos, wobei sie anführte, es bestehe der dringende Verdacht, dass dieser nach Montage der Standheizung die Radbefestigungsschrauben nicht ordnungsgemäß angezogen habe. In einem weiteren Schreiben vom 15.08.2002 kündigte sie aus dem gleichen Grund hilfsweise ordentlich zum 31.10.2002. Der Betriebsrat hatte nach schriftlicher Unterrichtung beiden Maßnahmen am 14.08.2002 widersprochen, wobei er sich u.a. darauf berief, es könne in Hinblick auf die teuren Felgen des Fahrzeugs eine Manipulation durch Dritte nicht ausgeschlossen werden. Wegen der Einzelheiten des Anhörungsverfahren – dessen Ordnungsgemäßheit der Kläger in der Klageschrift nur allgemein bestritten hat – wird auf die von der Beklagten zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die mit Schreiben der Beklagten vom 15.08.2002 ausgesprochene außerordentliche Kündigung mit sofortiger Wirkung noch durch die mit Schreiben der Beklagten vom 15.08.2002 ausgesprochene hilfsweise Kündigung zum 31.10.2002 aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gemäß § 9 KSchG gegen Zahlung einer ...