Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer Schreibkraft in der Justiz im Beamtenverhältnis. Beachtung von Differenzierung bei Eingruppierungen nach Anteil schwieriger Tätigkeit. Einordnung eines rechtlich nicht unerheblichen Ausmaßes an Prozentsätzen der Tarifvertragsparteien. Festlegung des Heraushebungsmerkmals der schwierigen Tätigkeit durch Tarifvertragsparteien
Leitsatz (amtlich)
1) Die von den Tarifvertragsparteien des Öffentlichen Dienstes in den Vergütungsbestimmungen der Anlage 1a zum BAT (Bund/Länder) Teil II Abschnitt T "Angestellte im Justizverwaltungsdienst" - dort den Vergütungsgruppen VIb, Vc, Vb - vorgesehenen Eingruppierungsunterschiede in Abhängigkeit vom Anteil "schwieriger" Tätigkeiten (ein Fünftel, ein Drittel bzw. mehr als die Hälfte) sind bei arbeitsgerichtlichen Eingruppierungsentscheidungen zu beachten. Von den Tarifvertragsparteien gewollte Differenzierungen sind von den Gerichten für Arbeitssachen zu respektieren und dürfen nicht durch die Annahme eines einheitlichen Arbeitsvorgangs, bei dem schwierige Teiltätigkeiten in einem rechtlich nicht unerheblichen Ausmaß (von hier 11,54%) anfallen, eingeebnet werden.
2) Es spricht vieles dafür, die Bestimmung des für die konkrete Eingruppierung maßgeblichen "rechtlich nicht unerheblichen Ausmaßes" an den prozentualen Vorgaben der Tarifvertragsparteien für das Heraushebungsmerkmal der schwierigen Tätigkeit zu orientieren.
Normenkette
TV-L §§ 12, 24 Abs. 1, § 37 Abs. 1; TV-L Anl. A Teil 2 Abschn. 12.1 Entgeltgr. 9a; TVÜ-L §§ 17, 29a; BAT §§ 22-23; 1 BAT Anl. 1a Teil 2 Abschn. T Unterabschn.; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Essen (Entscheidung vom 11.12.2019; Aktenzeichen 6 Ca 2210/19) |
Nachgehend
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 11.12.2019 - Az.: 6 Ca 2210/19 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Eingruppierung des Klägers.
Der 53 Jahre alte Kläger wurde zum 01.05.1988 vom beklagten Land zunächst als Schreibkraft angestellt und beim Landgericht Essen beschäftigt. Zwischen dem 01.03.1992 und 30.10.1992 bestand ein Beamtenverhältnis. Mit Wirkung zum 31.10.1992 wurde der Kläger erneut beim Landgericht Essen eingestellt und unter Eingruppierung in die Vergütungsgruppe VII, Fallgruppe 42 der Anlage 1a Teil I BAT (im Folgenden VO-BAT) als Geschäftsstellenverwalter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand in der Folge jedenfalls kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung durchgehend der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge Anwendung. Zum 01.08.1995 erfolgte eine Höhergruppierung des Klägers in die Vergütungsgruppe VIb, Fallgruppe 41 VO-BAT. Zum 01.01.2002 übertrug das beklagte Land dem Kläger die Tätigkeiten in einer Serviceeinheit für erstinstanzliche Zivilsachen - Kammer für Handelssachen - einschließlich Berufungs- und Beschwerdeverfahren auf Dauer und zur selbständigen Erledigung.
Das beklagte Land erstellte am 12.05.2003 eine Tätigkeitsdarstellung und -bewertung (Blatt 46ff. der Akte), nach der sich die Aufgaben wie folgt verteilen:
1. Tätigkeit in einer Serviceeinheit (Büro- und Schreibtätigkeit, soweit nicht schwierige Tätigkeiten 52,67 %
2. a) Vorprüfung der Zuständigkeit 6,2 %
b) Aufstellung von Vorschusskostenrechnungen für die Prozessgebühren 2,46 %
d) Zustellungen von Entscheidungen 1,18 %
e) Erteilung von Rechtskraftzeugnissen 0,79 %
f) Erteilung von Vollstreckungsklauseln 1,97 %
g) Aufgaben nach der Zählkartenanordnung 6,2 %
h) Aufgaben mit der Bewilligung von PKH mit Zahlungsbestimmung 0,47 %
i) selbständige Beantwortung schriftlicher und mündlicher Sachstandsanfragen, Auskunftsersuchen formeller Art 7,58 %
k) Verfügungen nach der MiZi 0,22 %
l) Entscheiderassistenz 5,41 %
m) Tätigkeiten des Kostenbeamten nach Verfahrensabschluss 1,72 %
l) Ladung der Handelsrichter 5,41 %
m) Vorbereitungen von Vfg.en pp., 3,25 %
n) Erteilung der Notfristatteste 0,22 %
3. Protokollführung in Strafsachen 4,25 %
Nach der angegliederten Tätigkeitsbewertung (Blatt 52f. der Akte) übt der Kläger zu 43,08 %, nämlich im Hinblick auf die oben unter 2. genannten Aufgaben, schwierige Tätigkeiten aus. An den zu verrichtenden Tätigkeiten und den prozentualen Tätigkeitsanteilen hat sich bis heute nichts geändert.
Auf Basis dieser Tätigkeiten wurde der Kläger im Jahr 2003 der Vergütungsgruppe Vc FG 2a Teil II Abschnitt T "Angestellte im Justizverwaltungsdienst" der VO-BAT zugeordnet. Mit dem Inkrafttreten des TV-L im Jahr 2006 wurde der Kläger gemäß § 4ff. TVÜ-Länder in die Entgeltgruppe 8 übergeleitet. Mit Inkrafttreten der Entgeltordnung zum TV-L per 01.01.2012 stellte der Kläger keinen Überleitungsantrag nach § 29a TVÜ-Länder, so dass sich seine Eingruppierung weiterhin nach der VO-BAT (Länder) i.V.m. der Anlage 2 zum TVÜ-Länder bestimmt. Nach den jüngsten (Änderungs-) Vertrag der Parteien vom 01.06.2016 (Blatt 44 f. d...