Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz bei unterschiedlich hohen Zuschlägen für Nachtarbeit in der Schicht und sonstiger Nachtarbeit im Manteltarifvertrag. Konkrete Tätigkeit als Maßstab für Angemessenheit von Nachtarbeitszuschlägen. Zulässige Differenzierung bei Zuschlägen zwischen Nachtarbeit im Schichtsystem und sonstiger Nachtarbeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Regelungen eines Manteltarifvertrags verstoßen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn bei der Festlegung der Höhe der Nachtarbeitszuschläge zwischen Schichtarbeit in der Nacht und sonstiger Nachtarbeit differenziert wird. Ein 50%iger Zuschlag für Nachtschichtarbeit besteht deshalb nicht.

2. Die Angemessenheit eines Nachtarbeitszuschlags richtet sich nach der konkreten Tätigkeit und der mit ihr verbundenen Belastungen.

 

Normenkette

ArbZG § 6 Abs. 5; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3; ZPO § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Krefeld (Entscheidung vom 18.11.2020; Aktenzeichen 3 Ca 1245/20)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 28.06.2023; Aktenzeichen 10 AZR 471/21)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 18.11.2020 - Az.: 3 Ca 1245/20 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Nachtarbeitszuschläge.

Der am 28.04.1963 geborene Kläger ist seit dem 05.04.1996 bei der Beklagten in Schichtarbeit beschäftigt, dies zuletzt zu einem Stundenlohn von 18,47 Euro brutto. Für das Werk L. der Beklagte bestehen ein Manteltarifvertrag vom 30.07.2008 (Bl. 230 ff. der Akte, im Folgenden MTV) und ein Entgelttarifvertrag vom 16.05.2017 (Bl. 254 ff. der Akte). Beide Haustarifverträge finden im Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

Im MTV heißt es auszugsweise:

"§ 4 Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit

A) Begriffsbestimmungen

... 2. Nachtarbeit ist die in der Zeit von 20.00 bis 6:00 Uhr geleistete Arbeit.

Bei Schichtarbeit und für das Fahrpersonal beginnt die Nachtarbeit um 22:00 Uhr. ...

B) Zuschläge

Für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit sind folgende Zuschläge zu zahlen:

...

für Nachtarbeit

bei Wechselschichtarbeit in der Nacht von 22:00 bis 6:00 Uhr 25% für alle andere Nachtarbeit 50%

... 5. Beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge ist nur der jeweils höchste zu zahlen. Der Nacht- und Nachtschichtarbeitszuschlag ist jedoch zusätzlich zu etwa sonst noch anfallen den Zuschlägen zu entrichten."

In § 16 des Manteltarifvertrags (Bl. 252 d.A.) heißt es auszugsweise:

"§ 16 Ausschlussfristen

Gegenseitige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, z.B. auf rückständiges Entgelt, aus Leistung von Mehrarbeit, sind innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten seit Entstehung des Anspruches geltend zu machen."

Bei der Beklagten wird im Produktionsbereich im Dreischichtbetrieb, im Lager in Früh- und Spätschicht und in der Verwaltung in "Tagschicht" gearbeitet. Der Kläger erbrachte Nachtarbeit in Wechselschicht. Die Beklagte zahlte hierfür Nachtarbeitszuschläge von 25 Prozent nach § 4 B) 1 b MTV Entgeltabrechnungen November 2018 (Bl. 31 der Akte), September 2019 (Bl. 40 der Akte) und November 2019 (Bl. 24 der Akte)). Der Kläger machte mit Schreiben vom 27.02.2019 (Bl. 29 der Akte), 25.09.2019 (Bl. 35 der Akte), 25.11.2019 (Bl. 39 der Akte) und 25.02.2020 (Bl. 23 der Akte) bei der Beklagten die Nachzahlung weiterer Nachtarbeitszuschläge für November 2018 sowie Juni, Juli, September und November 2019 geltend.

Der Kläger hat mit seiner Klage weitere Nachtarbeitszuschläge in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem Nachtarbeitszuschlag von 50 Prozent für "andere Nachtarbeit aus § 4 B) 1 b MTV und dem bereits gezahlten Nachtarbeitszuschlag von 25 Prozent für "Nachtarbeit bei Wechselschichtarbeit für November 2018 sowie für Juli, September und November 2019 in unstreitiger Höhe von 701,51 € brutto geltend gemacht. Er hat gemeint, dass er Anspruch hierauf habe, weil der MTV für das Werk L. Nachtschichtarbeitnehmer gegenüber anderen Nachtarbeitnehmern gleichheitswidrig schlechterstelle. Er hat zur weiteren Begründung auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21.03.2018 - 10 AZR 34/17, NZA 2019, 622 zum Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der nordrheinischen Textilindustrie verwiesen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.403,60 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 702,09 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.05.2020 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, Nachtarbeit falle außerhalb der Wechselschicht in der Produktion falle nur ausnahmsweise an. Das sei dann Mehrarbeit z.B. in Fällen von Reparaturen oder wenn ein Sonderauftrag vorliege. Sie hat die Auffassung vertreten, dass der MTV für das Werk L. Nachtschichtarbeitnehmer nicht unter Vorstoß gegen den Gleichheitssatz benachteilige. Regelungen in Tarifverträgen, die für Nachtarbeit in Schichtarbeit einen Zuschlag von 25 Prozent und für andere Nachtarbeit einen Zuschlag von 50 Prozent vor...

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