Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Ungleichbehandlung bei Zuschlägen für Nachtarbeit im MTV Siegener Brauerei Verband e.V.. Sachlicher Grund für Differenzierung zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit. 23% Zuschlag für in Brauerei notwendigerweise anfallende Nachtschicht und 50% für unregelmäßige Nachtarbeit kein Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz. Unmittelbare Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien
Leitsatz (amtlich)
1. § 7 Ziff. 1 B des MTV für die dem Siegener Brauerei Verband e. V. angeschlossenen Brauereien vom 05.10.1995 führt zwar zur unterschiedlichen Behandlung von Arbeitnehmern, die unregelmäßig und regelmäßig Nachtarbeit im Rahmen von Schichtarbeit leisten, diese Ungleichbehandlung ist aber gerechtfertigt.
2. Die Tarifvertragsparteien müssen zwar auch bei der tariflichen Normsetzung unter anderen den allgemeinen Gleichheitssatz Artikel 3 Abs. 1 GG beachten. Den Tarifvertragsparteien steht aber als selbstständigen Grundrechtsträgern bei ihrer Normsetzung aufgrund der durch Artikel 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomien ein weiter Gestaltungsspielraum zu, über den die Arbeitsvertrags- und Tarifvertragsparteien nicht im gleichen Maße verfügen.
3. Durch die Festlegung des Nachtzuschlags für unregelmäßige Nachtarbeit nach § 7 Ziff. 1 B b auf 50% im Verhältnis zum Zuschlag von 25% bei Nachtschichtarbeit und regelmäßiger Nachtarbeit nach § 7 Ziff. 1 B a haben die Tarifvertragsparteien die Grenzen des ihnen zustehenden Gestaltungsspielraums nicht überschritten.
Normenkette
GG Art. 9 Abs. 3; MTV für die dem Siegener Brauerei Verband e. V. angeschlossenen Brauereien § 7 Nr. 1 Fassung: 1995-10-05; GG Art. 3 Abs. 1; BGB § 611a Abs. 2; ArbZG § 6 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Hamm (Entscheidung vom 10.01.2020; Aktenzeichen 3 Ca 1039/19) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 10.01.2020 - 3 Ca 1039/19 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung von tariflichen Nachtzuschlägen.
Der am 20.09.19XX geborene Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.10.1990 als Mechatroniker mit einem monatlichen Grundlohn von 3.678,56 € (24,40 €/Stunde) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für die dem T Verband e. V. T 1 angeschlossenen Brauereien vom 05.10.1995 (im Folgenden: MTV) Anwendung.
Dieser trifft, soweit im Streitfall von Interesse, folgende Regelungen:
§ 3 Arbeitszeit
(...)
10. Bei Arbeit im Dreischicht-System (drei Schichten von insgesamt 24 Stunden) wird innerhalb der 8-stündigen Schicht eine Entgeltkürzung für die zu gewährende Pause nicht vorgenommen.
Arbeitnehmer, die dreischichtig im Dreischicht-System oder ausschließlich im Nachtschicht-System arbeiten, erhalten für je 50 Arbeitstage in diesem System einen Tag Schichtfreizeit (1 Arbeitstag, Entgeltberechnung wie Urlaub).
(...)
§ 6 Mehr-, Nacht-, Nachtschicht-, Sonn- und Feiertagsarbeit
(...)
3. Nachtarbeit ist die in der Zeit zwischen 20.00 und 6.00 Uhr geleistete Arbeit. (Als Nachtarbeit gilt auch diejenige Zeit, die im Rahmen einer Schicht in diese Nachtzeit fällt).
4. Nachtschichtarbeit ist die regelmäßig in der Zeit von 22.00 bis 6.00 Uhr geleistete Arbeit. Eine Verlegung der Schichtzeiten ist im Einvernehmen mit dem Betriebsrat möglich.
Regelmäßige Nachtarbeit ist auch diejenige Arbeitszeit, die in einem gleichmäßigen betrieblichen Geschehensablauf (...) geleistet wird, wenn sie eine Kalenderwoche vorher angekündigt ist.
Unregelmäßige Nachtarbeit ist sonstige Nachtarbeit, mit Ausnahme der Schichtarbeit, die in die Nachtzeit fällt.
(...)
§ 7 Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Nachtschicht-, Sonn- und Feiertagsarbeit
1. Die Zuschläge betragen für angeordnete
(...)
B. Nachtarbeit
a) regelmäßige Nachtarbeit und Nachtschichtarbeit 25 %
b) unregelmäßige Nachtarbeit 50 %
c) Nachtarbeit, die gleichzeitig Mehrarbeit ist 75 %
(...)
1) Hiervon gelten 50 % für Nachtarbeit, 25 % für Mehrarbeit
(...)"
Der Kläger ist im Schichtbetrieb tätig. Er hat im Dezember 2018 18 Stunden, im Januar 2019 12 Stunden, im Februar 2019 80 Stunden, im März 2019 26 Stunden, im April 2019 72 Stunden und im Mai 2019 18 Stunden Nachtarbeit geleistet. Im Zeitraum Dezember 2018 bis einschließlich Mai 2019 zahlte die Beklagte mit einem Zuschlagssatz von 25 % darauf Nachtzuschläge in Höhe von insgesamt 1.742,40 € brutto.
Mit Schreiben der Gewerkschaft NGG vom 19.06.2019 (Bl. 3 ff d. d.A.) verlangte der Kläger erfolglos die Zahlung weiterer Nachtzuschläge im vorbezeichneten Zeitraum.
Mit seiner am 01.08.2019 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 07.08.2019 zugestellten Klage vom 31.07.2019 verfolgt der Kläger dieses Begehren weiter.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er habe vor dem Hintergrund der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 21.03.2018 - 2 AZR 34/17, sowie vom 11.12.2013 - 10 AZR 736/12 einen Anspruch auf Zahlung eines Nachtarbeitszuschlags von...