Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Ungleichbehandlung bei Nachtzuschlägen im MTV Siegener Brauerei Verband e.V.. Notwendige Nachtarbeit in Brauereien mit 25% Zuschlag angemessen ausgeglichen. Sachlicher Grund für Differenzierung der Nachtzuschlagshöhe zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit. Unmittelbare Grundrechtbindung der Tarifvertragsparteien. Einhaltung des Ermessensspielraums im Rahmen von unterschiedlichen Zuschlägen als Ausgleich für gesundheitseinschränkende Nachtarbeit
Leitsatz (amtlich)
1. § 7 Ziff. 1 B des MTV für die dem Siegener Brauerei Verband e. V. angeschlossenen Brauereien vom 05.10.1995 führt zwar zur unterschiedlichen Behandlung von Arbeitnehmern, die unregelmäßig und regelmäßig Nachtarbeit im Rahmen von Schichtarbeit leisten, diese Ungleichbehandlung ist aber gerechtfertigt.
2. Die Tarifvertragsparteien müssen zwar auch bei der tariflichen Normsetzung unter anderen den allgemeinen Gleichheitssatz Artikel 3 Abs. 1 GG beachten. Den Tarifvertragsparteien steht aber als selbstständigen Grundrechtsträgern bei ihrer Normsetzung aufgrund der durch Artikel 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomien ein weiter Gestaltungsspielraum zu, über den die Arbeitsvertrags- und Tarifvertragsparteien nicht im gleichen Maße verfügen.
3. Durch die Festlegung des Nachtzuschlags für unregelmäßige Nachtarbeit nach § 7 Ziff. 1 B b auf 50% im Verhältnis zum Zuschlag von 25% bei Nachtschichtarbeit und regelmäßiger Nachtarbeit nach § 7 Ziff. 1 B a haben die Tarifvertragsparteien die Grenzen des ihnen zustehenden Gestaltungsspielraums nicht überschritten.
Normenkette
GG Art. 9 Abs. 3; MTV für die dem Siegener Brauerei Verband e. V. angeschlossenen Brauereien § 7 Nr. 1 Fassung: 1995-10-05; GG Art. 3 Abs. 1; BGB § 611a Abs. 2; ArbZG § 6 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Hamm (Entscheidung vom 16.01.2020; Aktenzeichen 4 Ca 1103/19) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 16.01.2020 - 4 Ca 1103/19 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung von tariflichen Nachtzuschlägen.
Der am 26.08.1970 geborene Kläger ist seit dem 01.08.1991 bei der Beklagten als Energieelektroniker bei Grundtariflohn von 2.836,40 € beschäftigt. Der Stundenlohn beträgt 24,70 EUR brutto.
Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die mit dem T e.V. T 1 geschlossenen Brauereien vom 05.10.1995 Anwendung. Dieser enthält, soweit im Streitfall von Interesse, folgende Regelungen:
§ 3 Arbeitszeit
(...)
10. Bei Arbeit im Dreischicht-System (drei Schichten von insgesamt 24 Stunden) wird innerhalb der 8-stündigen Schicht eine Entgeltkürzung für die zu gewährende Pause nicht vorgenommen.
Arbeitnehmer, die dreischichtig im Dreischicht-System oder ausschließlich im Nachtschicht-System arbeiten, erhalten für je 50 Arbeitstage in diesem System einen Tag Schichtfreizeit (1 Arbeitstag, Entgeltberechnung wie Urlaub).
(...)
§ 6 Mehr-, Nacht-, Nachtschicht-, Sonn- und Feiertagsarbeit
(...)
3. Nachtarbeit ist die in der Zeit zwischen 20.00 und 6.00 Uhr geleistete Arbeit. (Als Nachtarbeit gilt auch diejenige Zeit, die im Rahmen einer Schicht in diese Nachtzeit fällt).
4. Nachtschichtarbeit ist die regelmäßig in der Zeit von 22.00 bis 6.00 Uhr geleistete Arbeit. Eine Verlegung der Schichtzeiten ist im Einvernehmen mit dem Betriebsrat möglich.
Regelmäßige Nachtarbeit ist auch diejenige Arbeitszeit, die in einem gleichmäßigen betrieblichen Geschehensablauf (...) geleistet wird, wenn sie eine Kalenderwoche vorher angekündigt ist.
Unregelmäßige Nachtarbeit ist sonstige Nachtarbeit, mit Ausnahme der Schichtarbeit, die in die Nachtzeit fällt.
(...)
§ 7 Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Nachtschicht-, Sonn- und Feiertagsarbeit
1. Die Zuschläge betragen für angeordnete
(...)
B. Nachtarbeit
a) regelmäßige Nachtarbeit und Nachtschichtarbeit 25 %
b) unregelmäßige Nachtarbeit 50 %
c) Nachtarbeit, die gleichzeitig Mehrarbeit ist 75 %
(...)
1) Hiervon gelten 50 % für Nachtarbeit, 25 % für Mehrarbeit
(...)"
Der Kläger ist im Schichtbetrieb tätig. Die Beklagte zahlte an den Kläger für Nachtschichttätigkeiten in der Zeit von Januar bis Juli 2019 Nachtschichtzuschläge ausgehend Zuschlagsatz von 25 %.
Mit Schreiben der Gewerkschaft NGG vom 24.09.2019 (Bl. 4 d. A.) verlangte der Kläger erfolglos die Zahlung weiterer Nachtzuschläge im vorbezeichneten Zeitraum in Höhe von insgesamt 1.295,70 €.
Mit seiner am 15.08.2019 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 19.08.2019 zugestellten Klage vom 13.08.2019 verfolgt der Kläger dieses Begehren weiter.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er habe vor dem Hintergrund der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 21.03.2018 - 2 AZR 34/17, sowie vom 11.12.2013 - 10 AZR 736/12 einen Anspruch auf Zahlung eines Nachtarbeitszuschlags von 50 %.
Die Differenzierung im Tarifvertrag zwischen Nachtschichtarbeitnehmern gegenüber Arbeitnehmern, die außerhalb von Schichtsystemen Nachtarbeit leisteten...