rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Firma. Gegenstandswert bei Wahlanfechtung. Anfechtung einer Betriebsratswahl. Streitwert
Leitsatz (amtlich)
1. Bei typisierender Betrachtung ist der Gegenstandswert für die Anfechtung der Wahl eines einköpfigen Betriebsrats in der Regel auf das 1,5fache des Ausgangswertes des § 8 Abs. 2 BRAGO festzusetzen. Bei der Anfechtung der Wahl eines mehrköpfigen Betriebsrates ist für jede weitere Staffel des § 9 BetrVG jeweils der einfache Hilfswert des § 8 Abs. 2 BRAGO zusätzlich in Ansatz zu bringen.
2. Sofern das Verfahren hinsichtlich Schwierigkeit und Umfang Besonderheiten ausweist, kommt eine von den typisierenden Grundsätzen nach Ziffer 1 abweichende höhere oder niedrigere Festsetzung in Betracht. Wenn es in der Beschwerdeinstanz nur noch um einen äußerst einfach gelagerten Streitpunkt geht, entspricht es billigem Ermessen, den Gegenstandswert auf die Hälfte des sich nach den typisierenden Bewertungsgrundsätzen ergebenden Betrages festzusetzen.
Normenkette
BRAGO § 8 Abs. 2; BetrVG § 9
Tenor
Der Gegenstandswert für die Beschwerdeinstanz wird auf EUR 11.500,00 festgesetzt.
Gründe
Die Gegenstandswertfestsetzung hat vorliegend gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) zu erfolgen, weil das zu Grunde liegende Verfahren einen nicht vermögensrechtlichen Streitgegenstand hatte.
Dabei ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen und, wie es weiter im Gesetz heißt, auf EUR 4.000,00, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über EUR 500.000,00 anzunehmen. Neben dem Umfang und der Schwierigkeit einer Sache und dem daraus resultierenden Arbeitsaufwand für den Rechtsanwalt finden insbesondere die Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten, deren ideelles und materielles Interesse bei der Gegenstandswertfestsetzung Berücksichtigung. Eine Festsetzung auf den in § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO genannten Wert von EUR 4.000,–, früher DM 8.000,00, kommt nur in Betracht, wenn Anhaltspunkte für eine individuelle Bewertung der Angelegenheit nicht gegeben sind. Bei dem Betrag von EUR 4.000,00 handelt es sich nicht um einen Regelwert, sondern um einen Hilfswert (vgl. LAG Hamburg, Beschluss vom 04. August 1992 – 2 Ta 6/92 – LAGE § 8 BRAGO Nr. 18 m. w. N.).
Die trotz des ungewöhnlich weit reichenden Streitwertrahmens gänzlich undifferenzierte Streitwertgrundnorm des § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO stellt die Rechtsprechung vor die Aufgabe, die im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren in Frage kommenden Streitgegenstände innerhalb des vorgegebenen Bewertungsrahmens in ein Bewertungssystem einzubinden, das falladäquate Abstufungen zulässt und zugleich tragenden Grundsätzen des Arbeitsgerichtsprozesses ausreichend Rechnung trägt. Die Herausarbeitung typisierender Bewertungsgrundsätze ist Grundbedingung der gleichförmigen Rechtsanwendung und erweist sich damit als Anwendungsfall des Gleichheitsgrundsatzes (GK-ArbGG/Wenzel § 12 Rn. 264 m. w. N. aus Rechtsprechung und Literatur).
In der Rechtsprechung besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass in Anwendung dieser Grundsätze der Gegenstandswert einer Betriebsratswahlanfechtung maßgeblich in Orientierung an der Größe des Betriebes und der Zahl der zu wählenden Arbeitnehmer anzuknüpfen ist (LAG Bremen, Beschluss vom 11. April 1988 – 2 Ta 75/87 –). Weitgehende Einigkeit besteht außerdem in der Rechtsprechung darüber, dass bei der Wertfestsetzung eine Staffelung entsprechend § 9 BetrVG nach der Anzahl der Betriebsratsmitglieder zu erfolgen hat (Bertelsmann, Gegenstandswerte im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren,2000, S 37 f.; Schäder, Streitwertlexikon, S. 75 f.; Meier, Streitwert im Arbeitsrecht, Rz. 356 bis 365; jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Entsprechend hat die beschließende Kammer einen Beschluss vom 03. August 1995 – 3 Ta 27/94 – (n. v.) es als sachgerecht angesehen, bei der Anfechtung der Wahl eines dreiköpfigen Betriebsrates regelmäßig einen Wert von DM 20.000 entsprechend dem 2 1/2-Fachen des damals geltenden Hilfswertes von DM 8.000 in Ansatz zu bringen und den Gegenstandswert bei der Wahl nur eines Betriebsobmannes angemessen niedriger und bei der Wahl eines größeren Betriebsrates angemessen höher zu bemessen. Ein grundsätzlich niedrigerer Gegenstandswert für Betriebsratswahlanfechtungsverfahren, wie er z. B. vom LAG Schleswig-Holstein in einem Beschluss vom 14. September 1994 – 2 Ta 101/94 – angenommen worden ist, ist nach Auffassung der beschließenden Kammer mit Rücksicht auf die Bedeutung einer Wahlanfechtung für die Beteiligten nicht angemessen.
Im Anschluss an den Beschluss des LAG Hamm vom 09. März 2001 – 13 TaBV 7/01 (NZA 2002, 350) wird die bisherige Festsetzungspraxis der erkennenden Kammer dahingehend ergänzt und konkretisiert, dass der Gegenstandswert für die Anfechtung der Wahl eines einköpfigen Betriebsrates in der Regel auf das 1,5-Fache des Ausgangswertes des § 8 Abs. 2 BRAGO festzusetzen ist. Dies entspricht z. B. auch dem Beschluss des LAG Berlin vom 17. Februar 1991 – ...