Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzanspruch für entgangenes Trinkgeld
Leitsatz (amtlich)
1.Trinkgelder eines Briefzustellers, die anlässlich der Weihnachtstage gezahlt werden, sind kein Arbeitsentgelt i.S.d. §§ 611, 615 BGB.
2. Kann der Briefzusteller aufgrund einer unwirksamen Kündigung des Arbeitgebers seine Tour in den Weihnachtstagen nicht bedienen und deshalb Trinkgelder nicht kassieren, kann er dies im Wege des Schadensersatzes gegenüber seinem Arbeitgeber geltend machen.
3. Dies setzt aber voraus, dass der Arbeitgeber bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass die Kündigung unwirksam ist. Dies gilt auch bei Ausspruch einer Verdachtskündigung. Insbesondere wenn der Arbeitgeber sich bemüht hat den Sachverhalt aufzuklären, den Arbeitnehmer anhört und auch nach einer Interessenabwägung erhebliche Verdachtsmomente bleiben, handelt der Arbeitgeber auch dann nicht stets fahrlässig, wenn das Arbeitsgericht auch ohne Beweisaufnahme den Sachverhalt für eine Verdachtskündigung als nicht ausreichend beurteilt.
Normenkette
BGB §§ 611, 615
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 22.08.2007; Aktenzeichen 28 Ca 26/07) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 22. August 2007 – 28 Ca 26/07 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Schadensersatzanspruch für entgangenes Trinkgeld.
Die 1967 geborene Klägerin ist seit dem 2. April 1991 als Postzustellerin bei der Beklagten beschäftigt. In ihrem Bezirk bedient sie 1417 Haushalte. Am 17. August 2006 kündigte die Beklagte der Klägerin fristlos.
Gegenüber dem Betriebsrat und auch im späteren Gerichtsverfahren begründete die Beklagte die Kündigung u.a. mit dem dringenden Verdacht der Arbeitszeitmanipulation. Zu dem Zustellbezirk der Klägerin gehörte ein Kleingartenverein (im Folgenden: KlGV). Nach Auffassung der Beklagten bedurfte die Zustellung dort nicht mehr als ca. 10 Minuten. Die Beklagte behauptete, die Klägerin sei dabei beobachtet worden, wie sie an mehreren Tagen im Juli und August 2006 u.a. dort für längere Zeit, teilweise über eine Stunde nicht auffindbar gewesen sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die beigezogene Akte des Arbeitsgerichts Hamburg – 28 Ca 42/06 –, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde, insbesondere die Anhörung des Betriebsrates vom 10. August 2006 (Anl. B 1, Bl. 17 – 26 d. BA.).
Die Klägerin war nach Ausspruch der Kündigung in der Vorweihnachtszeit 2006 nicht für die Beklagte tätig. Im anschließend geführten Kündigungsschutzprozess wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 6. Februar 2007 festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten unwirksam war (28 Ca 42/06).
Der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat befragte 7 von 27 Stammzustellern zu der Höhe der von ihnen in dieser Zeit erhaltenen Trinkgelder. Es wurden für die Weihnachtszeit Trinkgelder in folgenden Größenordnungen angegeben: EUR 100, EUR 160, EUR 400, EUR 560, EUR 1.000, EUR 1.350 und EUR 1.900.
Die Klägerin hat behauptet, regelmäßig in der Vergangenheit aufgrund der Weihnachtszeit von den Postempfängern Trinkgeld erhalten zu haben. Die Einnahmen hätten sich zwischen EUR 1.100 und EUR 1.300 bewegt, im Dezember 2005 seien es EUR 1.216 gewesen. Derartige Trinkgelder seien auch bei entsprechender Bezirksgröße in anderen Bezirken üblich. Durch die rechtswidrige Kündigung der Beklagten verbunden mit der Freistellung im Zeitraum November 2006, Dezember 2006 und Januar 2007 sei ihr ein Schaden in Höhe von EUR 1.200 entstanden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte auf Zahlung von EUR 1.200 netto Schadensersatz zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, zum Schadensersatz nicht verpflichtet zu sein. Es fehle an einem Verschulden. Vorliegend sei die Kündigung in erster Linie daran gescheitert, dass das Arbeitsgericht zu der Erkenntnis gekommen sei, dass die Arbeitgeberin nicht ausreichend objektive Tatsachen vorgetragen habe, die die Verdachtskündigung hätten rechtfertigen können. Zu diesem Ergebnis sei die Kammer aber erst nach sorgsamer Würdigung des konkreten, komplexen Vorgangs gekommen. Nach Auffassung des Gerichts habe das Fehlverhalten der Klägerin nicht für den Ausspruch einer Kündigung gereicht, sondern habe nur eine Schlechtleistung dargestellt, die vor einer Kündigung hätte abgemahnt werden müssen. Danach habe die Beklagte nicht von vornherein davon ausgehen müssen, dass ihre Kündigung einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten werde. Sie sei vielmehr bis zur Urteilsverkündung davon ausgegangen, dass die von ihr angebotenen Beweise das Gericht vom Vorliegen eines Arbeitszeitbetrugs überzeugen würden.
Durch das der Klägerin am 30. August 2007 zugestellte Urteil vom 22. August 2007, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 26. September 2007...