Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliges Verfügungsverfahren über die Verpflichtung der Gewerkschaft zur Unterlassung von auf den Abschluss neuer Entgelttarifverträge gerichteten Arbeitskampfmaßnahmen und Aufrufen hierzu in bestimmten Tarifregionen

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Friedenspflicht steht auch einem Arbeitskampf entgegen, der während der Laufzeit des Tarifvertrages geführt werden soll, auch wenn der zu erkämpfende Tarifvertrag erst nach Laufzeitende in Kraft treten soll. Die Friedenspflicht während der (Rest-​)Laufzeit eines schon gekündigten Tarifvertrages unterscheidet sich nicht von derjenigen während der Laufzeit eines ungekündigten Tarifvertrages. Die kündigende Tarifvertragspartei hätte es sonst in der Hand, zu einem sehr frühen Zeitpunkt durch eine Kündigung mit deutlich längerer als der einzuhaltenden Kündigungsfrist die Friedenspflicht des noch laufenden Tarifvertrages zu beseitigen bzw. einzuschränken. Letztlich wird auch durch den, um den Abschluss eines neuen Tarifvertrages mit dem zeitlichen Inkrafttreten nach Ablauf der Laufzeit des gekündigten Tarifvertrages geführten Arbeitskampf dieser aktuell noch geltende Tarifvertrag in Frage gestellt.

 

Normenkette

GG Art. 9 Abs. 3; BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 09.06.2023; Aktenzeichen 20 Ga 6/23)

 

Tenor

Die Berufung der Verfügungsbeklagten (zu 1.) gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 9. Juni 2023, Az. 20 Ga 6/23, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Urteil klarstellend hinsichtlich der Ziffern 1. bis 3. wie folgt gefasst wird:

  1. Der Verfügungsbeklagten (zu 1.) wird untersagt, bis zum 30. November 2023 in den Betrieben der tarifgebundenen Mitgliedsunternehmen des Verfügungsklägers, d.h. insbesondere

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    in den Bundesländern Mecklenburg-​Vorpommern, Brandenburg, Sachsen- Anhalt, Sachsen, Thüringen und für das ehemalige Berlin-​Ost Streikmaßnahmen selbst durchzuführen oder durchführen zu lassen, insbesondere Arbeitnehmer zu Streikmaßnahmen jedweder Art aufzurufen oder aufrufen zu lassen, soweit Gegenstände zu Forderungen des Arbeitskampfes gemacht werden, die durch den Entgelttarifvertrag für die Beschäftigten der Süßwarenindustrie in den Bundesländern Mecklenburg- Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-​Anhalt, Sachsen, Thüringen und für das ehemalige Berlin-​Ost vom 19. Januar 2022 geregelt sind.

  2. Der Verfügungsbeklagten (zu 1.) wird untersagt, bis zum 31. August 2023 in den Betrieben der tarifgebundenen Mitgliedsunternehmen des Verfügungsklägers, d.h. insbesondere

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    in den Bundesländern Rheinland-​Pfalz und Saarland Streikmaßnahmen selbst durchzuführen oder durchführen zu lassen, insbesondere Arbeitnehmer zu Streikmaßnahmen jedweder Art aufzurufen oder aufrufen zu lassen, soweit Gegenstände zu Forderungen des Arbeitskampfes gemacht werden, die durch den Entgelttarifvertrag für die Beschäftigten der Süßwarenindustrie in den Bundesländern Rheinland-​Pfalz und Saarland vom 2. November 2021 geregelt sind.

  3. Der Verfügungsbeklagten (zu 1.) wird untersagt, bis zum 31. Juli 2023 in den Betrieben der tarifgebundenen Mitgliedsunternehmen des Verfügungsklägers,

    d.h. insbesondere

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    im Bundesland Baden-​Württemberg Streikmaßnahmen selbst durchzuführen oder durchführen zu lassen, insbesondere Arbeitnehmer zu Streikmaßnahmen jedweder Art aufzurufen oder aufrufen zu lassen, soweit Gegenstände zu Forderungen des Arbeitskampfes gemacht werden, die durch den Entgelttarifvertrag für die Süßwarenindustrie in dem Bundesland Baden- Württemberg vom 2. August 2021 geregelt sind.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Verfügungsbeklagte zu tragen.

    Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 72 Abs. 4 ArbGG).

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren weiterhin über die Verpflichtung der Verfügungsbeklagten (ehemalige Verfügungsbeklagte zu 1.), auf den Abschluss neuer Entgelttarifverträge gerichtete Arbeitskampfmaßnahmen und Aufrufe hierzu in bestimmten Tarifregionen zu unterlassen.

Verfügungskläger ist der bundesweit tätige Arbeitgeberverband der deutschen Süßwarenindustrie, der sechs Landesgruppen unterhält. Verfügungsbeklagte ist die für die von dem Verfügungskläger vertretenen Unternehmen zuständige Gewerkschaft. Die Verfügungsbeklagte ist in drei Organisationsebenen untergliedert. Hierzu gehören neben der Hauptverwaltung auf Bundesebene auch die sogenannten Landesbezirke Nord, NRW, Bayern, Ost und Südwest.

Beide Parteien sind Vertragspartner einer Reihe von zwischen ihnen abgeschlossenen Tarifverträgen. Das Tarifgebiet ist in folgende insgesamt neun Regionen unterteilt:

- Hamburg/ Schleswig-​Holstein

- Niedersachsen/ Bremen

- Nordrhein-​Westfalen

- Bayern

- Hessen

- Rheinland-​Pfalz und Saarland

- Baden-​Württemberg

- Berlin (West)

- Ostdeutschland

Für sämtliche dieser Tarif...

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