Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines Sozialplans. Zur Auslegung der Formulierung "wirksam gekündigtes Arbeitsverhältnis" im Sozialplan. Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz und Stichtagsregelung im Sozialplan
Leitsatz (redaktionell)
1. Sozialpläne sind als Betriebsvereinbarungen eigener Art wegen ihrer normativen Wirkung wie Tarifverträge auszulegen. Ausgehend vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Darüber hinaus sind Sinn und Zweck der Regelung von besonderer Bedeutung. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorrang, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt.
2. Enthält ein Sozialplan die Formulierung "wirksam gekündigtes Arbeitsverhältnis", so bezieht sich diese Formulierung mangels anderer Hinweise oder Anknüpfungspunkte auf alle Kündigungen, also sowohl auf arbeitgeberseitige wie auch auf arbeitnehmerseitige wirksame Kündigungen.
3. Der auf den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen bei vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Dies kann bei Stichtagsregelungen problematisch sein. Haben die Betriebsparteien eine Gruppenbildung derart vorgenommen, dass sie den Anspruch auf eine Sozialplanabfindung für solche Mitarbeiter ausgeschlossen haben, deren Arbeitsverhältnis bei Inkrafttreten des Sozialplans wirksam gekündigt war, haben sie auch diejenigen Mitarbeiter ausgenommen, die vor dem Abschluss der Sozialplanverhandlungen ihr Arbeitsverhältnis selbst gekündigt haben. Im Hinblick auf die Zweckrichtung einer Sozialplanabfindung ist diese Stichtagsregelung gerechtfertigt, da die vor dem Stichtag liegenden Kündigungen keine Kausalität zur Betriebsänderung aufweisen und es nicht der Abfederung dadurch entstandener Nachteile bedarf.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; BetrVG § 75 Abs. 1, § 77 Abs. 4, § 112 Abs. 1 S. 3; Sozialpan Ziff. II Abs. 4 Buchst. a) Fassung: 2015-08-14
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 19.05.2016; Aktenzeichen 29 Ca 542/15) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. Mai 2016 - 29 Ca 542/15 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Abfindungsanspruch aus einem Sozialplan.
Der am XX.XXXXXXXXXX 1969 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit dem 1. Januar 2005 als kaufmännischer Angestellter - zuletzt in der Funktion eines Verkaufsleiters in der Filialdirektion Hamburg - bei der Beklagten beschäftigt und bezog zuletzt eine jährliche Vergütung einschließlich variabler Bezüge in Höhe von etwa € 71.000,00 brutto.
Bundesweit beschäftigt die Unternehmensgruppe, der die Beklagte angehört, etwa 480 Vertriebsführungskräfte mit der Positionsbezeichnung Vertriebsleiter bzw. Verkaufsleiter. Die Funktionen der Vertriebsleiter und der Verkaufsleiter unterscheiden sich nicht. Vom 3. bis 5. Februar 2015 nahm der Kläger gemeinsam mit anderen Mitarbeitern des Vertriebsaußendienstes der Unternehmensgruppe an der Jahresauftakttagung 2015 der Landesdirektionen Nord und Ost in B. teil. Im Rahmen dieser Veranstaltung wurde mitgeteilt, dass - beginnend mit dem 1. Januar 2016 - ein Personalabbau eingeleitet werde, der für die Führungsebene des Klägers - Vertriebs- und Verkaufsleiter - zu einem Abbau von 120 Arbeitsplätzen führen werde.
Der Kläger ging davon aus, dass er von diesem Personalabbau betroffen sein werde, und begann ab März 2015, Anfragen von Personalberatern, denen die anstehenden Veränderungen im Hause der Beklagten nicht verborgen geblieben waren, zu prüfen und gegebenenfalls zu beantworten. Im Juli 2015 ging der Kläger ein anderweitiges Arbeitsverhältnis ein, kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 13. Juli 2015 unter Einhaltung der tarifvertraglichen Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Quartalsende zum 30. September 2015 und bot der Beklagten gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis vorzeitig zum 31. August 2015 zu beenden. Die Beklagte nahm dieses Angebot mit Schreiben vom 3. August.2015 an.
Am 14. August 2015 vereinbarten die Beklagte und zwei weitere Gesellschaften der Unternehmensgruppe mit den bestehenden Gesamtbetriebsräten einen Sozialplan, der unter anderem folgende Regelungen enthält:
"I.
Sachlicher Geltungsbereich
Dieser Sozialplan findet Anwendung auf die in den (Teil)Interessenausgleichen zum Projekt ZUP 2018 geregelten Maßnahmen und die betriebsbedingten personellen Maßnahmen nach dem Freiwilligenprogramm Außendienst zu den Maßnahmen im Rahmen des Projekts "Zukunftsprogramm 2018" vom 14. August 2015 ("Maßnahmen").
II.
Persönlicher Geltungsbereich
(1) Diese Vereinbarung gilt grundsätzlic...