Entscheidungsstichwort (Thema)
Verstoß gegen Gleichheitssatz. Verschlechternde tarifvertragliche Stichtagsregelungen
Leitsatz (amtlich)
Es ist zulässig, tarifvertragliche Regelungen zu verschlechtern und dabei auch einen Stichtag anzuknüpfen. Die Wahl des Stichtages muss dabei sachlich vertretbar sein.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 19.03.1997; Aktenzeichen 19 Ca 562/96) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. März 1997 – 19 Ca 562/96 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit tarifvertraglicher Änderungen, durch die die materiellen Arbeitsbedingungen bestimmter Arbeitnehmer nach Maßgabe einer Stichtagsregelung verschlechtert worden sind.
Die Beklagte ist ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen, das in Hamburg mit U-Bahnen und Bussen den öffentlichen Nahverkehr betreibt.
Der Kläger ist seit dem 1. November 1992 als Busfahrer bei der Beklagten beschäftigt. In seinem Arbeitsvertrag nimmt die Beklagte auf die Arbeitsbedingungen der für sie geltenden Tarifverträge Bezug. Dort heißt es:
„Für das Arbeitsverhältnis sind die Bestimmungen der jeweils gültigen Tarifverträge maßgebend.”
Unter dem Datum vom 1. Dezember 1994 hatte die Beklagte mit der Gewerkschaft ÖTV einen Manteltarifvertrag (MTV) abgeschlossen. § 4 MTV sah eine Wochenarbeitszeit von 37 Stunden vor. § 10 MTV regelte Zulagen für Nachtarbeit in Höhe von 19 % und für Arbeiten an Sonn- und Feiertagen in Höhe von 20 % der Stundenvergütung. In § 14 MTV war die Zahlung eines 13. Monatsgehaltes vorgesehen, welches am 30. November eines Kalenderjahres fällig war und dessen Betrag sich nach der Tabellenvergütung für den Monat November berechnete. Jeder Arbeitnehmer erhielt gemäß § 15 MTV ein Urlaubsgeld in Höhe von 72,5 % des am 1. Januar des jeweiligen Kalenderjahres geltenden Ecklohnes (Eingangsstufe Vergütungsgruppe 6). Der Erholungsurlaub betrug 30 Arbeitstage, § 18 MTV.
Ferner hatte die Beklagte mit der Gewerkschaft ÖTV unter dem Datum vom 17. Oktober 1986 einen Tarifvertrag über das Vergütungssystem abgeschlossen. Er sah für Busfahrer nach Abschluss der Ausbildung eine Vergütung nach Vergütungsgruppe 9 vor.
Nach einem Vergütungstarifvertrag vom 1. Dezember 1994, der für die Zeit vom 1. September 1994 bis zum 31. Dezember 1995 Geltung hatte, erhielten die in einem Ein-Mann-Betrieb eingesetzten Busfahrer eine Funktionszulage von 7,33 % des Ecklohnes. Ebenfalls in diesem Tarifwerk fand sich eine Regelung zur Berechnung der Höhe des Pensionskassenbeitrages auf Basis der jeweiligen Tabellenvergütung, mindestens aber auf Basis der Vergütungsgruppe 9 Stufe 6.
Aufgrund gesetzlicher Neuregelung der Vergabe der Konzessionen für den öffentlichen Personennahverkehr beabsichtigten die gesetzlichen Aufgabenträger – die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH) und Gebietskörperschaften in Schleswig-Holstein – auslaufende Linienbuskonzessionen auszuschreiben und an den jeweils preiswertesten Anbieter zu vergeben. Die Beklagte sah ihre Wettbewerbsfähigkeit bei der Ausschreibung im Vergleich zu Busunternehmen in privater Hand gefährdet. Vor diesem Hintergrund verhandelte die Beklagte in der ersten Hälfte des Jahres 1996 mit der Gewerkschaft ÖTV über den Abschluss eines sogenannten „Paktes für Arbeit”. Im Ergebnis erzielten die Parteien Einigung über
- den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis zum 31. Dezember 2000,
- die Sicherung des Bestandes der Busbetriebshöfe durch die Beklagte bis zum 31. Dezember 1998,
- die Übernahme der Auszubildenden nach Abschluss ihrer Ausbildung,
- die eigene Bedienung bisher fremdvergebener Busleistungen von mindestens 40.000,00 km/Woche bis Ende 1998 durch die Beklagte, soweit dadurch keine Mehrkosten entstehen.
Im Gegenzug vereinbarten die Tarifvertragsparteien eine Neuregelung für Busfahrer mit Einstellungsdatum ab 1. Januar 1991. Im Ergebnisprotokoll vom 26. April 1996 über die Verhandlungen zur Änderung tarifvertraglicher Regelungen für die ab 1. Januar 1991 eingestellten Busfahrer heißt es auszugsweise wie folgt:
„Für alle Busfahrer mit Einstellungsdatum ab 01.01.1991 gelten mit Wirkung ab 01.10.1996 die nachfolgend genannten Tarifregelungen.
Soweit keine abweichende Regelung erfolgt, gelten die übrigen Bestimmungen der Tarifverträge weiterhin. Die Tarifvertragsparteien erklären ihre Absicht, die nachfolgenden Regelungen in die bestehenden Tarifverträge einzufügen. Soweit erforderlich, werden ggf. hiervon betroffene sonstige Tarifbestimmungen und Betriebsvereinbarungen entsprechend angepasst.
1. Eingruppierung
Die Eingruppierung erfolgt:
- während der Ausbildung in VG 5
- für das 1. bis 5. Dienstjahr in VG 6
- für das 6. bis 10. Dienstjahr in VG 7
- ab dem 11. Dienstjahr in VG 8
Die Umgruppierung wird in einer Rückrechnung auf den jeweiligen Einstellungstermin entsprechend der o...