Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung. Erforderlichkeit einer Grundlagenschulung im allgemeinen Arbeitsrecht. Zeitpunkt und Ort der Schulungsmaßnahme. Schulung im letzten Jahr der Amtszeit. Erforderlichkeit trotz langjährigen Erfahrungswissens. Beurteilungsspielraum des Betriebsrats. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Vermittlung von Grundkenntnissen im allgemeinen Arbeitsrecht für erstmals fungierende Betriebsratsmitglieder ist grundsätzlich erforderlich i.S.v. § 40 Abs. 1 i.V.m. § 37 Abs. 6 BetrVG. Insoweit kann bei erstmals gewählten Betriebsratsmitgliedern auf eine nähere Darlegung der Schulungsbedürftigkeit verzichtet werden.

2. Bei einer Schulungsveranstaltung kurz vor Ablauf der Amtsperiode hat der Betriebsrat zu prüfen, ob das Betriebsratsmitglied die auf der Schulung vermittelten Kenntnisse noch während seiner Amtszeit in die Betriebsratsarbeit einbringen kann. Insoweit bedarf es einer konkreteren Darlegung der Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme an einem Grundlagenseminar.

 

Normenkette

BetrVG § 37 Abs. 6, § 40 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Iserlohn (Beschluss vom 26.10.2005; Aktenzeichen 6 BV 23/05)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 19.03.2008; Aktenzeichen 7 ABR 2/07)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin und des Betriebsrates wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 26.10.2005 – 6 BV 23/05 – abgeändert.

Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, die Antragstellerin von einer Zahlungsverpflichtung in Höhe von 1.334,– EUR gegenüber dem Seminarveranstalter R3xxxx B1xxxx, K3xxxxxxxx D6xxxxx 24, 55xxx H5xxxxxx, freizustellen, und zwar durch Zahlung des Betrages von 1.334,– EUR an R3xxxx B1xxxx.

Die Arbeitgeberin wird verurteilt, an die Antragstellerin 857,90 EUR zu zahlen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

A

Die Beteiligten streiten über die Kosten für die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung.

Die Arbeitgeberin ist die Abfallentsorgungsgesellschaft des M1xxxxxxxx K4xxxxx. Sie beschäftigt ca. 104 Arbeitnehmer. Bei der Arbeitgeberin ist ein Betriebsrat gebildet, der aus sieben Personen besteht.

Die Antragstellerin steht seit 1994 in den Diensten der Arbeitgeberin.

Seit 1994 ist die Antragstellerin Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen im Betrieb der Arbeitgeberin. Im Jahre 2002 wurde sie bei den turnusmäßigen Betriebsratswahlen in den Betriebsrat gewählt.

In der Vergangenheit nahm die Antragstellerin an folgenden Schulungsveranstaltungen teil:

„26.10. 1994 – 28.10.1994

Grundkurs als Vertrauensfrau,

Schwerbehindertenvertretung Fredeburg

28.11. 1994 – 30.11.1994

Aufbaukurs Schwerbehindertenvertretung Fredeburg

10.04.2000 – 11.04.2000

Feststellung der Behinderteneigenschaft Fredeburg

19.08.2002 – 23.08.2002

Einführung Seminar

„Betriebsverfassungsgesetz Teil 1” Eckernförde

04.08.2003 – 08.08.2003

Seminar

„Betriebsverfassungsgesetz Teil 2” Eckernförde

01.03.2004

Seminar „Agenda 2010 und

Kündigungsschutz” St. Augustin

27.05.2004

Seminar „Mitbestimmungsrecht

bei IT-Systemen” Balve

19.07.2002 – 21.07.2004

Seminar „BAG-Urteile zum

Schwerbehindertenrecht” Erfurt

26.07.2004 – 30.07.2004

Seminar

„Betriebsverfassungsgesetz Teil 31” Eckernförde

18.01.2005

Betriebsrätekonferenz

Neues Tarifrecht Hagen”

Über die Erforderlichkeit der Seminarteilnahme durch die gewählten Betriebsratsmitglieder (vgl. Aufstellungen Bl. 26 ff.d.A.) kam es zwischen Betriebsrat und der Arbeitgeberin in der Vergangenheit häufiger zu Auseinandersetzungen. In einem Konsensgespräch vom 31.01.2005 (Bl. 207 f.d.A.) vereinbarten die Arbeitgeberin und der Betriebsrat u.a. folgendes:

„Beschließt der Betriebsrat Seminarteilnahmen – insbesondere mehrtägige Seminare – und hält die Geschäftsführung ein solches Seminar für die genannten Betriebsratsmitglieder nicht für erforderlich, wird vor Ablehnung der Kostenübernahme und Teilnahme ein Gespräch mit dem Betriebsrat geführt, um Rechtsstreitigkeiten darüber zu vermeiden”

Auf der Betriebsratssitzung vom 12.04.2005 fasste der Betriebsrat u.a. den Beschluss, die Antragstellerin zur Teilnahme an einem Seminar „Arbeitsrecht I”, das von ihrem jetzigen Verfahrensbevollmächtigten wiederum in Eckernförde (Ostsee) im Stadthotel Eckernförde veranstaltet wurde, vom 11. bis zum 15.07.2005 zu entsenden. Auf das Seminarprogramm (Bl. 4 d.A.) und den geplanten Seminarverlauf (Bl. 59 ff.d.A.) wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 31.05.2005 unterrichtete der Betriebsrat die Arbeitgeberin über den am 12.04.2005 gefassten Beschluss. Die Arbeitgeberin lehnte die Seminarteilnahme der Antragstellerin aus Kostengründen ab.

Eine von der Antragstellerin begehrte einstweilige Verfügung auf Zahlung eines Auslagenvorschusses für die Seminarteilnahme in Höhe von 680,00 EUR netto wurde erst- und zweitinstanzlich abgewiesen (1 BVGa 1/05 Arbeitsgericht Iserlohn = 13 TaBV 119/05 Landesarbeitsgericht Hamm).

Die Antragstellerin nahm daraufhin dennoch in der Zeit vom 11.07. bis 15.07.2005 als Betriebsratsmitglied wie auch als Vertrauensfrau der Schwerbehinderten an dem streitigen Semina...

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