Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschlussverfahren. Feststellung einer betriebsratsfähigen Organisationseinheit. gemeinsamer, einheitlicher Betrieb mehrerer Betriebsstätten. betriebsratsfähiger Betriebsteil. Eigenständigkeit durch Aufgabenbereich und Organisation. Beteiligung. Rechtsschutzinteresse
Leitsatz (redaktionell)
1. Beteiligter an einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist, wer durch die erbetene Entscheidung unmittelbar in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Stellung betroffen werden kann oder berührt wird.
2. Betrieb im Sinn des Betriebsverfassungsgesetzes ist die organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern unter Einsatz sächlicher und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, wobei der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Die institutionell einheitliche Leitungsmacht muss sich vor allem auf die beteiligungsrelevanten personellen und sozialen Angelegenheiten erstrecken.
3. Ein Betriebsteil ist zwar auf den Zweck des Hauptbetriebs ausgerichtet und in dessen Organisation eingegliedert, ihm gegenüber aber organisatorisch abgrenzbar und relativ verselbstständigt. Für die Abgrenzung von Betrieb und Betriebsteil ist der Grad der Verselbstständigung entscheidend, der im Umfang der Leitungsmacht zum Ausdruck kommt.
Normenkette
BetrVG § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 18 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Beschluss vom 26.10.2006; Aktenzeichen 3 BV 165/06) |
Nachgehend
BAG (Aktenzeichen 7 ABN 85/07) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 26.10.2006 – 3 BV 165/06 – abgeändert.
Es wird festgestellt, dass der Hauptbetrieb der Arbeitgeberin in D1 sowie die Betriebsstätte der Arbeitgeberin in O1 einen gemeinsamen Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes bilden.
Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.
Tatbestand
A
Die Beteiligten streiten darum, ob im Unternehmen der Arbeitgeberin ein einheitlicher Betrieb oder mehrere betriebsratsfähige Betriebsstätten gebildet sind.
Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Elektrobranche. Das Werk der Arbeitgeberin in D1, in dem ca. 194 Mitarbeiter tätig sind, beschäftigt sich im Wesentlichen mit der Installation elektrotechnischer Anlagen. Das Werk der Arbeitgeberin in O1, in dem ca. 122 Arbeitnehmer angestellt sind, und das ca. 35 km von dem Werk in D1 entfernt liegt, stellt Schaltanlagen her.
Die Arbeitgeberin hat vier Geschäftsführer. In D1 ist der Geschäftsführer für den Personalbereich, in O1 der Geschäftsführer für den technischen Bereich (im Folgenden: Geschäftsführer O1) ansässig. Ferner ist in O1 ein Prokurist als Werksleiter (im Folgenden: Werksleiter O1) tätig. Im Werk in D1 befindet sich die Personalabteilung, wobei zwischen den Beteiligten im Einzelnen streitig ist, welche Aufgaben diese Personalabteilung erledigt. Ferner befindet sich im Werk D1 die zentrale Einkaufsabteilung, die Finanzabteilung und der komplette kaufmännische Bereich.
In der Vergangenheit war sowohl für das Werk D1 wie auch für das Werk O1 jeweils ein Betriebsrat gewählt.
Etwa bis zum Jahre 2004 wurden im Werk O1 zahlreiche eigenständige Betriebsvereinbarungen abgeschlossen, die für die Arbeitgeberin vom Geschäftsführer O1 und vom Werksleiter O1 unterzeichnet waren. Anträge nach § 99 BetrVG richteten vielfach der Geschäftsführer O1 bzw. der Werksleiter O1 an den im Werk O1 gebildeten Betriebsrat. Einige Einstellungsanträge für das Werk O1 waren aber auch vom Geschäftsführer Personal aus D1 unterzeichnet. Ein von der Arbeitgeberin im Jahre 2001 ausgesprochenes Hausverbot für den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden aus O1 unterzeichnete der Geschäftsführer O1. Das daran anschließende Verfahren nach § 103 BetrVG wurde durch den Geschäftsführer O1 und den Werksleiter O1 geführt. Mitteilungen über die Schulungsteilnahme, Genehmigungen von Dienstreisen, Urlaubsanträge wurden ebenfalls vom Geschäftsführer O1 bzw. Werksleiter O1 unterzeichnet. Die Urlaubsplanung für das Werk O1 wurde in O1 durchgeführt. Eine Auseinandersetzung über die Einführung von Mitarbeitergesprächen wurden zwischen dem Betriebsrat O1 und dem Geschäftsführer O1 und dem Werksleiter O1 geführt. An den Betriebsratssitzungen des Werkes O1 nahmen regelmäßig der Geschäftsführer O1 oder der Werksleiter O1 teil.
Anlässlich der turnusmäßigen Betriebsratswahlen Anfang des Jahres 2006 entstand Streit zwischen den Beteilten darüber, ob im Unternehmen ein einheitlicher Betrieb vorliegt und ein einheitlicher Betriebsrat zu wählen war. Die Arbeitgeberin, der in D1 gewählte Betriebsrat sowie der Gesamtbetriebsrat vertraten die Auffassung, dass eine einheitliche Betriebsratswahl durchgeführt werden müsse. Im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens wurde daraufhin versucht, die im Werk O1 beabsichtigte Betriebsratswahl zu verhindern. Aufgrund eines vor dem Arbeitsgericht Bocholt am 07.04.2006 abgesc...