Entscheidungsstichwort (Thema)
außerordentliche Kündigung. Betriebsratsmitglied. Handel. Zigaretten. unverzollt
Leitsatz (redaktionell)
Der Verkauf von unverzollten Zigarettenpackungen an Arbeitskollegen auf dem Firmenparkplatz stellt zwar eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar, berechtigt jedoch nicht zur außerordentlichen Kündigung eines seit 15 Jahren betriebszugehörigen Betriebsratsmitglieds.
Normenkette
BetrVG § 103; KSchG § 15 Abs. 1; BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Beschluss vom 07.06.2006; Aktenzeichen 3 BV 28/06) |
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 07.06.2006 – 3 BV 28/06 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Im vorliegenden Beschlussverfahren begehrt die Arbeitgeberin die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitglieds S3xxx.
Die Arbeitgeberin betreibt ein Unternehmen für die Herstellung und den Vertrieb von Schubladen, insbesondere für Küchenmöbel. Die im Betrieb beschäftigten ca. 110 Arbeitnehmer haben einen siebenköpfigen Betriebsrat gewählt, dem die Beteiligte S3xxx angehört. Sie ist am 31.08.1967 geboren, ledig und seit dem 10.06.1991 als kaufmännische Angestellte bei der Arbeitgeberin bzw. deren Rechtsvorgängerin tätig. Ab dem Jahre 1993 nimmt sie die Position der Einkaufsleiterin war, wofür sie zuletzt eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von 3.591,00 EUR bezog.
Am 20.03.2006 hatte sich die Beteiligte S3xxx in der Mittagszeit auf den Weg gemacht, um mit ihrem Fahrzeug die Firmenpost zu holen. Ihr Kfz stand auf einem firmeneigenen Parkstreifen, der sich außerhalb des durch einen Zaun umfriedeten Besitztums der Arbeitgeberin befindet. Hinsichtlich der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den mit Schriftsatz der Arbeitgeberin vom 01.06.2006 eingereichten Lageplan sowie verschiedene Fotos (Bl. 53 ff. der Akten).
Durch ihr Bürofenster beobachtete die Personalleiterin L1xxxx, dass die Beteiligte S3xxx von Herrn U2xxxxxxx begleitet wurde. Dieser ist Außendienstmitarbeiter bei der in Ö1xxxxxxxx ansässigen Firma G1xxx GmbH, die ebenso wie die Arbeitgeberin als Tochterunternehmen dem W4xxx-Konzern angehört und deren Mitgeschäftsführer der alleinige Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Arbeitgeberin ist.
Die Personalleiterin sah, dass die Beteiligte S3xxx den Kofferraum ihres PKW öffnete und von dort etwas in einen Papierkorb packte, den Herr U2xxxxxxx mit sich führte. Insbesondere der Papierkorb erregte die Aufmerksamkeit der Zeugin L1xxxx. Sie machte den Prokuristen und technischen Leiter P2xxxxxx Mitteilung von ihrer Beobachtung. Darauf teilte dieser ihr mit, im Betrieb gebe es Gerüchte, dass die Beteiligte S3xxx mit unverzollten Zigaretten handele.
Nach ihrer Rückkehr von der Post wurde die Beteiligte S3xxx von L1xxxx und P2xxxxxx angesprochen. In einem von der Personalleiterin am 20.03.2006 gefertigten schriftlichen Vermerk, dessen inhaltliche Richtigkeit von P2xxxxxx und dem ebenfalls eingeschalteten Betriebsratsvorsitzenden B5xxx bestätigt worden ist, heißt es unter anderem:
…
Nachdem Frau S3xxx von der Post zurück war, wurde Sie von Herrn P2xxxxxx und Frau L1xxxx gefragt, was Sie dort umgepackt hätte, sie sagte, dass Sie für Herr U2xxxxxxx etwas besorgt hätte, auf die Nachfrage, ob es sich eventuell um unverzollte Zigaretten handeln würde, (Herr P2xxxxxx hatte gerüchteweise gehört, dass man bei Frau S3xxx günstig an Zigaretten kommen könnte) sagte sie, sie wüsste es nicht genau, die Zigaretten kämen aus F1xxxxxxxx, auf welchem Weg diese über die Grenze gekommen sind, könnte sie nicht genau sagen. Frau L1xxxx fragte sie dann, ob Ihr klar wäre, dass es sich beim Verkauf von unverzollten Zigaretten um eine Straftat handeln würde, antwortete Frau S3xxx mit ja und, dass sie es hier nicht wieder machen würde.
Frau L1xxxx informierte dann Herr B5xxx (Betriebsratsvorsitzender) über den Vorfall und bat ihn darum, gemeinsam mit Frau S3xxx zu sprechen und sie zu bitten, Auskunft darüber zu geben in welchem Umfang ihre „Verkaufstätigkeiten” während der Arbeitszeit erfolgen würden. Frau S3xxx wurde ins Büro von Frau L1xxxx gebeten, auf die Frage wie viel Zigaretten sie noch im Kofferraum haben würde, gab sie 15 Stangen an, sie war einverstanden, dass Herr B5xxx und Frau L1xxxx dies persönlich in Augenschein nehmen konnten. Im Kofferraum von Frau S3xxx war ein halbleerer Karton, in dem sich noch 15 Stangen unverzollte Marlboro-Zigaretten befanden, angeblich „Urlaubsmitbringsel”.
…
Man öffnete eine Stange Zigaretten und nahm eine Packung der Marke Marlboro in Augenschein. Sie trug keine Steuermarke; zwischen den Beteiligten ist aber streitig, ob sie mit dem Aufdruck „For Duty Free Sale Only” versehen war.
Nach diesem Geschehen versuchte die Arbeitgeberin aufzuklären, ob die Beteiligte S3xxx in der Vergangenheit noch an andere Personen auf dem Betriebsgelände Zigaretten veräußert hatte.
In dem am 24.03.2006 an den Betriebsrat gestellten schriftl...