Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassungsanspruch des Betriebsrats. Unterlassung von Kündigungen. Betriebsänderung. Interessenausgleich. Personaleinschränkung. grundlegende Änderung der Betriebsorganisation oder der Betriebsablagen. einstweilige Verfügung
Leitsatz (redaktionell)
Der Betriebsrat hat grundsätzlich einen Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitgeber bei einseitiger Durchführung von Betriebsänderungen, wenn die Voraussetzungen einer Betriebsänderung vorliegen.
Normenkette
BetrVG §§ 111-112; ArbGG § 85 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Minden (Beschluss vom 29.04.2008; Aktenzeichen 1 BVGa 4/08) |
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Minden vom 29.04.2008 – 1 BVGa 4/08 – wird zurückgewiesen.
Gründe
A
Der Betriebsrat begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung von der Arbeitgeberin die Unterlassung, betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen, bevor abschließend über einen Interessenausgleich verhandelt worden ist.
Die Arbeitgeberin betreibt in zwei Betriebsstätten, in R1 und V3, eine Eisengießerei und beschäftigt in ihrem gemeinsamen Betrieb zurzeit 242 Mitarbeiter. Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist der gewählte Betriebsrat, der aus neun Personen besteht.
Am 14.02.2008 fasste die Geschäftsführung der Arbeitgeberin einen Beschluss zur „Konsolidierung der Geschäftssituation – insbesondere im Hinblick auch auf eine nachhaltige Standortsicherung”, um damit ihr Konzept „Ergebnisverbesserung Geschäftsjahr 2008” umzusetzen (Bl. 12 d.A.). Diesem Beschluss beigefügt war eine dem Betriebsrat am 19.02.2008 übergebene und erläuterte Powerpoint-Präsentation, wegen deren Inhalts auf Bl. 13 ff.d.A. verwiesen wird.
Zu den danach vorgesehenen Maßnahmen gehörte unter anderem auch der Wegfall von voraussichtlich 20 Arbeitsplätzen.
Anschließend führten die Beteiligten weitere Unterrichtungsgespräche. Auf Anforderung des Betriebsrats vom 03.03.2008 (Bl. 46 f.d.A.) fand am 01.04.2008 eine Begehung der Betriebsstätte V3 statt; das hierzu erstellte Gesprächsprotokoll (Bl. 48 f.d.A.) sowie eine Übersicht zur Entwicklung „Personalbestand 01.03.2008” (Bl. 50 d.A.) wurde dem Betriebsratsvorsitzenden T1 anschließend übergeben.
In der Folgezeit führte die Arbeitgeberin mit einzelnen Mitarbeitern Gespräche über die Möglichkeit einer einvernehmlichen Auflösung ihrer Arbeitsverhältnisse.
Mit Schreiben vom 17.04.2008 und 21.04.2008 (Bl. 223 ff., 26 d.A.) hörte die Arbeitgeberin den Betriebsrat zu zwei beabsichtigten betriebsbedingten Kündigungen der Arbeitnehmer B4 B6 und M4 B5 an. Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom 23.04.2008 (Bl. 27 d.A.) der Kündigung des Mitarbeiters B6. In diesem Schreiben vom 23.04.2008 verlangte der Betriebsrat den Eintritt in Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan.
Inzwischen wurden von der Arbeitgeberin die beiden beabsichtigten Kündigungen gegenüber den Mitarbeitern B6 und B5 zum 31.05.2008 ausgesprochen. Zum 31.07.2008 sollen weitere betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden.
Weitere Versuche des Betriebsrats, die Arbeitgeberin zur Aufnahme von Interessenausgleichsverhandlungen zu bewegen, blieben erfolglos, weil die Arbeitgeberin der Auffassung war, dass eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG nicht vorliege.
Mit dem am 25.04.2008 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren verlangte der Betriebsrat daraufhin im Wege der einstweiligen Verfügung die Unterlassung des Ausspruchs von betriebsbedingten Kündigungen.
Unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung des Betriebsratsvorsitzenden (Bl. 59 f.d.A.) hat der Betriebsrat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin sei zur Aufnahme von Interessenausgleichsverhandlungen verpflichtet. Dieser Verpflichtung versuche sie, sich durch den Ausspruch von Kündigungen zu entziehen. Die von der Arbeitgeberin vorgesehenen Maßnahmen nach dem Konzept „Ergebnisverbesserung Geschäftsjahr 2008” stellten nicht nur einen erheblichen Personalabbau, sondern auch eine Einschränkung des Betriebs bzw. zusätzlich auch eine grundlegende Änderung der Betriebsorganisation und der Betriebsanlagen dar. Da die Umsetzung unmittelbar bevorstehe, könne der Betriebsrat seine Beratungsrechte nach § 111 BetrVG nur im Wege der einstweiligen Verfügung noch rechtzeitig durchsetzen und schützen.
Der Betriebsrat hat beantragt,
der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, betriebsbedingte Kündigungen von Mitarbeitern auszusprechen und damit der Umsetzung des Konzepts „Ergebnisverbesserung 2008” zu beginnen, bis der zwischen den Parteien zu versuchende Interessenausgleich zustande gekommen oder endgültig gescheitert ist und
der Arbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000,00 EUR anzudrohen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
die Anträge abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die von ihr geplanten Maßnahmen, auch der Ausspruch von beabsichtigten Kündigungen, sei nicht interessenausgleichspflichtig. Auch der Abbau von 20 Arbeitsplätzen stelle keine Betriebsänderung im S...