Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzlicher Arbeitgeberwechsel nach § 6c SGB II. Einstufung bei kommunalem Träger. Einstufung in TVöD-V
Leitsatz (amtlich)
Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der Bundesagentur für Arbeit, deren Arbeitsverhältnisse gem. § 6 c SGB II auf einen neuen kommunalen Träger übergehen, sind nach § 16 TVöD-V so einzustufen, als hätte das Arbeitsverhältnis von Beginn an bei dem kommunalen Träger bestanden.
Normenkette
SGB II § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 6c Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 3 S. 2; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Münster (Entscheidung vom 14.02.2013; Aktenzeichen 1 Ca 2074/12) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 14.02.2013 - 1 Ca 2074/12 - wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die zutreffende Einstufung der Klägerin nach dem TVöD-V.
Die Klägerin war seit dem 16.10.2006 bei der Bundesagentur für Arbeit im Bereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende als Arbeitsvermittlerin tätig. Das Arbeitsverhältnis richtete sich nach den Tarifverträgen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA). Nach § 17 TV-BA erhalten die Beschäftigten ein monatliches Festgehalt dessen Höhe sich nach der Tätigkeitsebene richtet, in die sie eingruppiert sind sowie nach der für sie maßgeblichen Entwicklungsstufe, die sich aus § 18 TV-BA ergibt. Die Beschäftigten erreichen die jeweils nächste Entwicklungsstufe nach ununterbrochener Tätigkeit innerhalb derselben Tätigkeitsebene nach Jahren gestaffelt. Die Klägerin war eingruppiert in die Tätigkeitsebene IV und hier seit dem 01.10.2009 in die Entwicklungsstufe 3. Die Entwicklungsstufe 4 hätte sie nach drei Jahren in der Entwicklungsstufe 3 erreicht.
Seit dem 01.01.2012 ist der Beklagte zur alleinigen Wahrnehmung der Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitssuchende als sogenannte Optionskommune im Sinne des § 6 a SGB II zugelassen. Zum 01.01.2012 ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Bundesagentur für Arbeit gemäß § 6 c SGB II auf den Beklagten über. Dort findet der TVöD-V Anwendung.
Seit dem 01.01.2012 vergütet der Beklagte die Klägerin nach der Entgeltgruppe 9 Stufe 3 TVöD-V und vertrat die Auffassung, dass mit dem 01.01.2012 auch die Stufenlaufzeit beginne, so dass die Klägerin ab dem 01.01.2015 die Stufe 4 nach § 16 Abs. 3 TVöD-V erreichen werde.
Mit beim Arbeitsgericht am 05.11.2012 eingegangener Klage vertritt die Klägerin die Auffassung, dass sie bereits ab dem 01.10.2012 nach der Entgeltgruppe 9 Stufe 4 TVöD-V zu vergüten sei.
Der Beklagte sei aufgrund gesetzlicher Anordnung in das Arbeitsverhältnis der Klägerin eingetreten, ohne dass diese hierauf Einfluss gehabt hätte. Die Stufenlaufzeiten des TV-BA entsprächen denen des TVöD-V. Deswegen müsse die Verweildauer in einer Entwicklungsstufe nach dem TV-BA bei der Verweildauer in einer Stufe nach dem TVöD-V berücksichtigt werden.
Sie hat beantragt,
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 01.10.2012 nach der Entgeltgruppe 9 Stufe 4 TVöD-V, Anlage A zu vergüten.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, ab dem Zeitpunkt des Übertritts des Arbeitsverhältnisses seien ausschließlich die beim übernehmenden Träger geltenden Tarifverträge anzuwenden. Deswegen könne die Klägerin frühestens zum 01.01.2015 die Stufe 4 erreiche.
Mit Urteil vom 14.02.2013 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Die Verweildauer der Klägerin in der Entwicklungsstufe 3 der Tätigkeitsebene IV sei auf die Verweildauer in der Stufe der Entgeltgruppe 9 TVöD vollständig anzurechnen, was aus einer an Sinn und Zweck orientierten Auslegung folge.
Gegen das ihr am 18.03.2013 zugestellte und wegen der weiteren Einzelheiten in Bezug genommene Urteil hat der Beklagte am 10.04.2013 Berufung eingelegt und diese am 16.05.2013 begründet.
Er vertritt die Auffassung, das Arbeitsgericht habe sich über den eindeutigen Gesetzeswortlaut hinweggesetzt, wonach ausschließlich die jeweils geltenden Tarifverträge des neuen Trägers anzuwenden seien.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 14.02.2013 - 1 Ca 2074/12 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Aus einer Parallelwertung zu § 613 a BGB sei eine vollständige Anrechnung der zurückgelegten Beschäftigungszeit vorzunehmen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
I. Die Berufung ist zulässig.
Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 ArbGG statthaft und nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG zulässig sowie in gesetzlicher Form und Frist nach den §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 519 ZPO eingelegt und fristgerecht ordnungsgemäß begründet worden.
II. Die Berufung ist un...