Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer Oberärztin nach dem TV-Ärzte/VKA. Oberarzt
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Eingruppierungsnormen im Tarifvertrag Ärzte/VKA beinhalten eine hierarchische Steigerung. Die ärztliche Verantwortung des Oberarztes muss deshalb über diejenige hinaus gehen, die Ärzte bereits im Allgemeinen treffen. Die höhere Vergütung des Oberarztes honoriert zugleich auch das höhere Maß an Verantwortung gegenüber einem anderen Arzt.
2. „Selbstständiger Teilbereich” nach der Protokollerklärung zu Buchstabe c) von § 16 TV-Ärzte/VKA setzt eine organisatorische Untergliederung einer Gesamteinheit durch eine zugewiesene räumliche, personelle und sachliche Ausstattung voraus.
3. Die nach dem Tarifvertrag notwendige ausdrückliche Übertragung medizinischer Verantwortung muss durch das zuständige Organ des Arbeitgebers erfolgen, da die entsprechende Anordnung eine Änderung des Arbeitsvertrags bezüglich des Inhalts der Arbeitspflicht bewirkt.
Normenkette
TV-Ärzte/VKA § 16c
Verfahrensgang
ArbG Iserlohn (Urteil vom 05.02.2008; Aktenzeichen 5 Ca 1997/07) |
Nachgehend
BAG (Aktenzeichen 4 AZR 371/09) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 05.02.2008 – 5 Ca 1997/07 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
Die Klägerin steht seit dem 01.07.1998 bei dem beklagten Landschaftsverband als Ärztin in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 2 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung. Die Klägerin ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und ist in der Hans-Prinzhorn-Klinik des Beklagten in H3 tätig, die in 4 Abteilungen gegliedert ist:
- Psychiatrie und Psychotherapie
- Suchtmedizin und spezielle Psychiatrie
- Psychotherapeutische Medizin und Depressionsbehandlung
- Gerontopsychiatrie
Mit Schreiben vom 29.06.1999 wurde die Klägerin zur Fachärztin in der Funktion einer Oberärztin bestellt und war seit dem bis zum Beginn ihres Mutterschutzes auf der Station D 12 tätig. Bereits im Rahmen der Elternzeit arbeitete die Klägerin in Teilzeit in der Institutsambulanz der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie des Beklagten in I2, was nach der Beendigung der Elternzeit mit einer Stundenzahl von 20 pro Woche fortgesetzt wurde. Neben der Klägerin ist dort eine weitere Fachärztin (Dr. M2)mit 30 Wochenstunden beschäftigt, der mit Schreiben vom 19.09.2007 mit Wirkung vom 01.08.2006 die medizinische Verantwortung für den „selbstständigen Funktionsbereich der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie Station/Bereich Ambulanz” übertragen wurde.
Mit Wirkung vom 01.08.2006 wendet der Beklagte den Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (TV-Ärzte/VKA) sowie den Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigen der kommunalen Arbeitgeber in den TV-Ärzte/VKA, die einerseits vom Marburger Bund und andererseits von der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände abgeschlossen worden sind, an.
Nach der Überleitung wurde die Klägerin in die Entgeltgruppe II TV-Ärzte/VKA eingruppiert, was ein Bruttomonatsgrundgehalt von 5110,– EUR gegenüber 6000,– EUR in Entgeltgruppe III ausmacht.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe vom 01.08.2006 an eine Vergütung nach der Entgeltgruppe III des TV-Ärzte/VKA zu. Denn sie werde als Oberärztin eingesetzt. Dass die medizinische Verantwortung für die Klinik beim Klinikdirektor liege, stehe der Übertragung der medizinischen Verantwortung eines Teil- und Funktionsbereiches nicht entgegen. Da die Institutsambulanz räumlich abgegrenzt ist und über eigenes Pflegepersonal verfügt, seien die Voraussetzungen für einen selbständigen Teilbereich erfüllt.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr eine Vergütung nach der Entgeltgruppe III Stufe 2 des TV-Ärzte/VKA zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, die Klägerin erfülle die Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe III nicht. Ihr sei nicht die medizinische Verantwortung für einen selbständigen Teil- oder Funktionsbereich der Klinik bzw. Abteilung ausdrücklich übertragen worden.
Mit Urteil vom 05.02.2008 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, dem Vorbringen der Klägerin sei nicht zu entnehmen, dass ihr die erforderliche medizinische Verantwortung übertragen worden ist. Sie habe nicht substantiiert dargelegt, dass sie eine „vorgesetzte” Funktion eingenommen habe und ihr die Aufsichtsfunktion über ärztliches oder nichtärztliches Personal ausdrücklich übertragen worden ist. Da Frau Dr. M2 in der 30 Stundenwoche als Oberärztin tätig sei, verblieben für die Klägerin zu einer Vollzeitstelle nur 10 Stunden.
Gegen das ihr am 19.02.2008 zugestellte und wegen der weiteren Ein...