Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses einer wissenschaftlichen Hilfskraft. Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten vor Abschuss des Studiums
Leitsatz (amtlich)
Zeiten vor Abschluss eines Studiums i.S.d. § 2 Abs. 3 S. 3 WissZeitVG sind nur diejenigen, die vor dem jeweiligen berufsqualifizierenden Abschluss entsprechend der geltenden Prüfungsordnung liegen. Wird ein bereits abgeschlossener befristeter Vertrag als studentische Hilfskraft über diesen Zeitpunkt hinaus weitergeführt, handelt es sich ab dem Zeitpunkt der Ablegung des berufsqualifizierenden Abschlusses um eine auf die zulässige Befristungsdauer der jeweiligen Qualifikationsphase gem. § 2 Abs. 1 WissZeitVG anrechenbare Befristung, soweit diese mit mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit gem. § 2 Abs. 3 S. 1 WissZeitVG ausgeübt wird.
Normenkette
WissZeitVG § 31 Abs. 1 Sätze 1-2, § 2 Abs. 3 Sätze 2-3, § 31 Abs. 2 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Entscheidung vom 11.07.2014; Aktenzeichen 5 Ca 1685/14) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 11.07.2014 - 5 Ca 1685/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung mit dem 30.06.2014 geendet hat.
Der 1975 geborene Kläger ist bei der beklagten Universität seit dem 01.03.2008 aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge beschäftigt. Vom 01.03.2008 bis zum 30.06.2008 war der Kläger als studentische Hilfskraft mit einer Wochenarbeitszeit von 10 Stunden tätig. Am 03.06.2008 bestand er die Diplomprüfung der Fakultät für Informatik und im Studiengang Mathematik. Vom 01.07. bis zum 31.08.2008 war er als wissenschaftliche Hilfskraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 17 Stunden und seit dem 01.09.2008 als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Vollzeit bei der Beklagten beschäftigt. Der letzte Arbeitsvertrag vom 23.11.2012 (Bl. 31 f. d.A.) enthält folgende Regelung:
"§ 1
Herr ... wird ab dem 01.01.2013 als Vollzeitbeschäftigter eingestellt.
Das Arbeitsverhältnis ist befristet gemäß § 2 (1) S. 1 WissZeitVG bis zum 30.06.2014.
§ 2
Für das Arbeitsverhältnis gelten
- der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L)
- der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts der Länder (TVÜ-Länder)
- die Tarifverträge, die den TV-L und den TVÜ-Länder ergänzen, ändern oder ersetzen.
..."
Der Kläger ist eingruppiert in die Entgeltgruppe 13 TV-L. Sein durchschnittlicher Bruttomonatsverdienst beträgt 4.191,68 €.
Die für den Zeitraum der letzten Befristung erstellte Tätigkeitsbeschreibung (Bl. 27 d.A.) enthält folgende Regelung:
- Gründe für die Befristungsdauer: Beschäftigung als wissenschaftliche Mitarbeiterin/ wissenschaftlicher Mitarbeiter ohne abgeschlossene Promotion (§ 2 Absatz 1 Satz 1 Wiss ZeitVG)
- Tätigkeitsdarstellung der Standardaufgaben:
Lehraufgaben |
33% |
Forschungsaufgaben |
34% |
Sonstige Dienstleistungen |
33% |
|
100% |
Der Einsatz des Klägers erfolgte am Lehrstuhl für Angewandte Informatik, der u.a. an Methoden, Algorithmen und Softwarewerkzeugen zur Optimierung von stochastischen Simulationsmodellen arbeitet. Der Kläger hatte die Aufgabe, in diesem Umfeld vorhandene Optimierungsalgorithmen zu adaptieren und instrumentell zu bewerten. Er war hier insbesondere auf dem Gebiet der "Markovschen Entscheidungsprozesse" tätig. Seine Hauptaufgabe im streitigen Vertragszeitraum war es, die effiziente Berechnung von optimalen Politiken über endliche Zeithorizonte voranzutreiben und bereits begonnene und auch publizierte Arbeiten fortzusetzen und zu vertiefen. Auch seine Dissertation befasst sich mit einem daran angelehnten Thema ("Optimierung und Markovmodelle").
Der Kläger hielt Lehrveranstaltungen für Studenten im Umfang von 4 Semesterwochenstunden ab, indem er für Bachelor-Studenten im Wintersemester die Übung "Rechnernetze und verteilte Systeme" sowie im Sommersemester die Übung "Mathematik für Informatiker II" betreute. Während des Semesters erstellte er Übungsblätter samt Musterlösung, stellte diese Übungsblätter den Tutoren vor und korrigierte die Hälfte der Tests und die Hälfte der Programmieraufgaben. Unter die "sonstigen Dienstleistungen" des Klägers fallen insbesondere Sprechstunden für Studenten, die Gremientätigkeit in Prüfungsausschüssen (maximal 25 Stunden im Jahr) sowie der allgemeine Schriftverkehr. Ferner war der Kläger bis zum Ende des Jahres 2013 mit der Entwicklung und Betreuung der Computersoftware OPEDo betraut.
Mit seiner bei Gericht am 22.04.2014 eingegangenen Klage machte der Kläger die Unwirksamkeit der letzten Befristung zum 30.06.2014 geltend und nahm die Beklagte auf Weiterbeschäftigung in Anspruch.
Er hat die Auffassung vertreten, die letzte unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 WissZeitVG vereinbarte Befristung sei schon deshalb unwirksam, da die maxima...