Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksamkeit einer Eigenkündigung. Umdeutung einer mündlichen Kündigung. Betriebsübergang in der Insolvenz. Interessenausgleich mit Namensliste. Darlegung der „Vermutungsbasis”. Wiedereinstellungsanspruch in der Insolvenz. Anforderungen an die Geltendmachung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Spricht ein Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einer betrieblichen Umstrukturierung, die er nicht mittragen will, eine mündliche Eigenkündigung aus, um nach Selbstbeurlaubung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist danach bei einem anderen Arbeitgeber der Branche einen neuen Arbeitsplatz anzutreten, dann kann in der Berufung auf die Formnichtigkeit der Kündigung ein widersprüchliches Verhalten gesehen werden.

2. Der Wiedereinstellungsanspruch in der Insolvenz ist zeitlich begrenzt: Seine Voraussetzungen müssen innerhalb der Höchstfrist des § 113 Abs. 1 Satz 2 InsO entstanden sein. Ist dies der Fall, dann muß der Arbeitnehmer unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Wochen (ab 01.04.2002 im Hinblick auf § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB n.F.: einen Monat) nach Kenntniserlangung von den den Betriebsübergang ausmachenden tatsächlichen Umständen den Wiedereinstellungsanspruch gegenüber dem Erwerber geltend machen.

 

Normenkette

BGB §§ 613a, 623, 242; InsO § 125 Abs. 1, § 128 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Minden (Urteil vom 15.11.2001; Aktenzeichen 3 (1) Ca 1781/01)

 

Tenor

Es werden auf die Berufung des Beklagten zu 1) das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 15.11.2001 (3 Ca 338/01) und auf die Berufung der Beklagten zu 2) das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 15.11.2001 (3 [1] Ca 1781/01) abgeändert:

Die Kündigungsschutzklage gegen den Beklagten zu 1) und die Feststellungsklage gegen die Beklagte zu 2) werden abgewiesen.

Die Kosten der verbundenen Rechtsstreite hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers durch den Beklagten zu 1) sowie über den Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf die Beklagte zu 2).

Der Beklagte zu 1) ist durch Beschluß des Amtsgerichts Bielefeld vom 26.10.2000 (43 IN 589/00) zunächst zum vorläufigen Insolvenzverwalter und durch weiteren Beschluß vom 01.01.2001 (43 IN 589/00) auch zum endgültigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma G1xx. S2xxxxxx GmbH & Co. KG, einer Möbelherstellerin aus B2x O1xxxxxxxx, bestellt worden.

Der am 24.17.18xx geborene, verheiratete und einem Kind gegenüber unterhaltspflichtige Kläger war bei der Insolvenzschuldnerin, bei der zuletzt noch 80 Arbeitnehmer beschäftigt waren, seit dem 17.02.1992 als Betriebsleiter zu einem monatlichen Bruttoentgelt von zuletzt 8.200,00 DM tätig.

Am 22.12.2000 schlossen die Insolvenzschuldnerin und der Beklagte zu 1) als vorläufiger Insolvenzverwalter mit dem von der Belegschaft gewählten Betriebsrat einen Interessenausgleich, in dem unter Ziff. 2 die Verfahrenseröffnung für den 01.01.2001 ins Auge gefaßt wird und in dem es dann unter Ziff. 3 weiter heißt:

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sollen die vorliegenden Aufträge soweit wie möglich abgearbeitet werden. Dazu haben der vorläufige Insolvenzverwalter und der Betriebsrat ausführlich über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesprochen, die ab Insolvenzeröffnung im Rahmen der Aufarbeitung bis auf weiteres weiter beschäftigt werden. Das Aufarbeitungskonzept sieht vor, daß nicht sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter beschäftigt werden können, sondern aus betriebswirtschaftlichen Gründen folgende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab 01.01.2001 von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt werden:

Laszig, Norbert

Nach Verfahrenseröffnung schlossen der Beklagte zu 1) und der Betriebsrat zunächst am 17.01.2001 einen Interessenausgleich, in dem es u.a. heißt:

2. Während des Insolvenzeröffnungsverfahrens und auch bei Unterzeichnung dieses Interessenausgleichs läuft die Produktion des Betriebes weiter, um die Möglichkeiten einer übertragenden Sanierung des Unternehmens abzuklären und die vorhandenen Aufträge abzuarbeiten. Es wird mit zwei verschiedenen Interessentengruppen verhandelt. Über die wesentlichen Einzelheiten ist der Betriebsrat unterrichtet worden.

3. Sollte bis zum 26.01.2001 eine Betriebsveräußerung und/oder übertragende Sanierung nicht erfolgt sein, wird der Betrieb abgewickelt werden müssen.

4. Ausgehend von dieser Situation haben sich der Betriebsrat und der Insolvenzverwalter darauf geeinigt, daß die derzeit bestehenden Arbeitsverhältnisse mit sämtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen (§ 113 InsO) gekündigt werden müssen.

Am 25.01.2001 schlossen der Beklagte zu 1) und der Betriebsrat einen „Nachtrag zum Interessenausgleich vom 17.01.2001”, in dem es heißt:

  1. Da schon jetzt feststeht, daß es bis zum 26.01.2001 nicht zu einer Betriebsveräußerung an einen Dritten kommt, muß der Betrieb stillgelegt werden. Die Produktion der Kundenaufträge – soweit sie überhaup...

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